freundlich

Diesen Lichtspalt bzw. Lichtfleck habe ich gestern am Boden vor einer der Türen des Hauses gesehen mit dem Gedanken, dass es gerade so aussieht zwischen mir und der indischen Kultur, oder vielmehr wie ich sie wahrnehme. Da ist ein Lichtspalt zwischen uns, der auf beiden Seiten Möglichkeiten zulässt und auch Licht, aber ziemlich gefiltert, muss ich schon sagen. Interessant dabei finde ich, dass ich mich vollkommen aufgehoben fühle und persönlich absolut nichts zu klagen habe. Rückblickend  sehe ich, dass die teilweise schon ganz schön massiven Anstrengungen, mich hier als Frau ohne Bestimmer, und als Fremde, die ihren eigenen Weg gestaltet, auch wenn sie sich einige Formen und einiges Gedankengut gerne angeeignet hat, mich also hier durchzusetzen mit meiner eigenen Freiheit und Bestimmung, das ist gut gelaufen. Ich könnte auch sagen, dass die stete Bemühung um freundlichen Umgang mit allen wider alle Hindernisse und Widrigkeiten eine sehr förderliche Wirkung hat, da weiterhin alles offen bleibt, um den Moment nach bester Einschätzung zu gestalten. Weiterhin zu gestalten nach bestem Ermessen, wie wir es in unserer eigenen kulturellen Umgebung ja auch tun. Das ferienlose Dasein in bestmöglicher Verfassung, die tägliche Übung, der Mensch zu sein, der man nicht nur sein möchte, sondern auch sein kann. Aber da gibt es auch sehr helle und sehr dunkle Ähnlichkeiten zwischen Deutschland und Indien, und das arische Gedankentum hat hier in Indien noch nicht seinen Abgrund erreicht, ist aber lebendig. Vielleicht komme ich durch die Entwicklungen in eine Möglichkeit der Erfahrung, wie es gewesen sein muss, als die Deutschen sich noch als Volk der Dichter und Denker begreifen konnten mit hohen, moralischen Latten, bevor sie, immerhin eine große Masse, mehr oder minder bereitwillig auf die niedrigste Stufe des Menschseins herabgesunken sind. Als ich aus Indien nach Jahren zurückkam, konnte ich in einem Verlag, in dem ich zu arbeiten anfing, ein paar der Bücher lesen, die vor Hitlers Anmarsch geschrieben wurden und noch keine Samen der Zukunft in sich trugen. Oder vielleicht doch. Wer weiß schon, was in den inneren Welten der Anderen vor sich geht, wenn sie einem nicht enthüllt und verständlich gemacht werden? Ja, diese Bücher, die waren von klarem Denken geprägt, das einem ein Wohlgefühl bereiten kann. Das ähnelt sehr dem Denken indischer Philosophen, denen es nicht vor allem ums sogenannte Heilige geht und ging, sondern um das authentische Erfassen des eigenen Blicks auf die Welt, der durch andere Blicke geschult wurde, die das Feuer im Herzen wach halten konnten. Aber hier scheint sich ein Ungeheuer im Dunklen geformt zu haben, das geht um und keiner kann es bekämpfen und besiegen. Es wurde zu lange nicht beachtet, denn es frisst vor allem Frauen und Kinder. Da mangelte es wohl an der Schulung der Gefahrenerkenntnis, bis die Frauen in einigen Gebieten anfingen zu fehlen. Nun gibt es auch „bei uns“ das Darknet, und man will nicht wirklich hinein, und man muss auch nicht, denn es dringt unüberhörbar hinaus. Ich komme hier in Indien mit Frauen in Kontakt, die alle keine Wahl haben, keinen Pass, keine Möglichkeiten für ein selbstgestaltetes Leben. Man muss einmal sehr tief und in vollem Bewusstsein der Tatsachen darüber nachdenken, überhaupt schauen, wie man darüber denkt, am besten, zusammen mit Männern darüber nachdenken, was keine leichte Aufgabe ist. Als Plato Diotima als philosophischen Kunstgriff für ihren Dialog mit Sokrates einführte, ging es um Liebe, die man Diotima erklären ließ. Um Liebe geht es immer noch, es geht immer um Liebe, aber es geht auch um das Vermögen, tiefstes Erschrecken zuzulassen und eine berechtigte Angst um den Verlust menschlicher Würde, die nun so antastbar scheint.

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