dunstig

Eigentlich finde ich es ganz praktisch, mich während des Schminkprozesses am Morgen durch die fünf Minuten Nachrichten informieren zu lassen, die einen flüchten Eindruck des momentanen Weltgeschehens (als politischen Vorgang) ermöglichen. Aber das wirkt ja nicht immer so flüchtig. Zur Abwechslung kamen mir heute doch tatsächlich die Tränen, als ich mir automatisch beim Hören vorstellte, wie jetzt bei dem neuen Erdbeben im Irak und Iran Hunderte von Menschen nicht nur weggepustet wurden und Tausende verletzt, sondern die Überlebenden bei klirrender Kälte ohne Dach um Feuer herum sitzen und langsam ahnen, was ihnen bevorsteht, und dass sie mit ihrer Not allein sein werden, denn das nächste Unglück kommt bestimmt, das die Aufmerksamkeit von ihnen lenkt auf ein anderes Gebiet, ein anderes Volk. Diskussionen und Erkenntnisse über die großen Zusammenhänge kommen in Schwung, aber es lauert in den Menschen eine Unbelehrbarkeit, die schwer zu fassen ist, obwohl sie überall zur Sprache kommt. Den Anfängen ist nicht mehr zu wehren, denn wo liegen die Anfänge. In diesem Akt tanzt der Überlebenswille mit der Todessehnsucht, auch ein Trieb, der sich durchsetzen kann. Es ist der Nach-mir-die -Sintflut-Trieb. In der nächsten Nachricht war ich dann selbst betroffen. Gerade aus einem tagelangen Befreiungskampf der Bronchien aufsteigend und hoffend, dass mir am kommenden Sonntag der anstrengende Nachtflug nach Neu Delhi gut gelingt, höre ich nun, dass da, wo ich hinfliege und lande, die Krankenhäuser überfüllt sind mit Bronchitis Erkrankten, die Schulen geschlossen, und wer nicht unbedingt raus muss, drin bleibt. Ich kenne die Delhi Sonne, die wie ein zur falschen Zeit downgeloadeder Mond aussieht oder wie ein orangenes Lampion in einer dichten Milchsuppe. Die Lungen der Kinder sind schon alle geschädigt, sagt die Sprecherin. Kein aufkommender Plan hat auch nur das Geringste bewirkt. Ich werde auch bis zu meiner letzten Minute dafür sein, dass der Mensch zu den einleuchtenden,  lebensspenden Schöpfungsprozessen in jeder Hinsicht Zugang haben soll, und wir haben Zugang dazu, aber es ist auch sichtbar, dass ein Strang in den Tod zieht. Wenn das Wissen sich zurückzieht, bleiben die Erklärungen, losgelöst von ihrer Quelle. Man schaut in die Sonne und erkennt sie nicht mehr, weil man den Zusammenhang nicht mehr kennt zwischen dem eigenen Tun und seiner Wirkung. Dann sieht man es auch in den Sondierungsgesprächen. Klar, das erkannte Ausmaß verlangt nach extremen Entscheidungen, wenn es denn letztendlich um das Wohl der Menschen auf Erden gehen soll. Geht es um das Wohl der Menschen auf diesem Planeten? Oder ist es Zeit, dass er von sich selbst abgeseilt wird? Vielleicht ja auch von der Gletscherspitze zum Erdklumpen.

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