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Herbstregen…wie geschaffen dafür, sich dem Versuch zu widmen, mich an sinnfreiem Denken zu erfreuen. Was heißt hier „sinnfrei“. Ich meine damit, dass es nirgendwo ankommen muss, keinen nützlichen Gesetzmäßigkeiten folgen, und wenn mir jetzt noch was Drittes einfällt, habe ich bereits einen neuen Sinn-Baustein erschaffen. Das ist wie das Anarchische, das die Ordnungen hervorruft, und das Abstrakte, das ohne Form nicht wahrgenommen werden kann. Deswegen geht’s auch samstags hier vor allem um Zaster, und wie man so mühelos wie möglich einen Goldtrog heranschafft. Jede/r weiß, dass da, wo was herauskommen soll, auch was investiert werden muss. Und der Weg zum Trog muss gegangen werden, und mit dem fangen wir heute an und lassen den geisterhaften Genius für sich reden. Was für das Leuchten der brillianten Idee, die nun heranwächst, vonnöten ist, ist einfach. Man mietet einen passablen Raum und bietet Wochenendausbildungsseminarzusammenkünfte an. Auf den 100 000 Flyern hat man zuvor schon das Verlockende angeboten, dem mit Sicherheit mindestens 500 Menschen nicht widerstehen können. Es wird auch Absagen geben müssen, denn der Saal fasst nur 500. Sie alle wissen, dass man in diesen kommenden Stunden…nein! nicht von der Ameise zum Adler geschleudert wird, sondern es wird nicht nur angeboten, dass man vom Bedeutungslosen sachte in die Tiefen eigener Deutung eingeführt wird, sondern am Ende dieser Durchführung wird jede/r TeilnehmerIn geadelt werden durch ein Dokument, das bestätigt, dass man auf geradezu geheimnisvolle Weise zu einer Deutungs-Hoheit geworden ist, und nun in der Welt mit einem beeindruckenden Folder unterwegs sein kann. In dieser Mappe liegt natürlich die ganze Investitionskohle, die aber keineswegs verloren geht, nein!, sondern der Preis für diese Auszeichnung ist nicht gering. Schließlich hat man nun das Recht auf Deutung erhalten und kann deuten, so viel man will. Ob man das nach diesen Seminaren allerdings noch will, ist genau die Frage. Man setzt also das Wochenende mit jeweils 10 Stunden am Tag an, wo gedeutet wird. Die Themen sind eigentlich ziemlich egal. Man kann auch malen lassen oder die politischen Bewegungen deuten lassen. Oder man macht es sich noch einfacher und regt an mit vielen Blättern und Stiften, sich mal selbst zu deuten, bis einem nichts mehr einfällt. Ja von wegen! Es fällt immer mehr ein, und wenn es kein Papier mehr gibt in der dritten Woche, weil sie alle zugedeutet sind, dann kann man den Überfluß auch tanzen. Der letzte Workshop könnte heißen „Das gedeutete Ich“. Es passiert natürlich wahnsinnig viel, denn der Deutungs-Hoheits-Leiter setzt keinerlei Grenzen.   Es geht bei diesem neuen Weg darum, die totale Deutungserschöpfung zu erreichen. Wer nicht deutungserschöpft ist, kann die Edel-Auszeichnung für sich nicht beanspruchen. Wie, Sie wollen weiterdeuten!!? Dann sind Sie noch nicht reif dafür, so etwas Kostbares zu besitzen. Die Krone der Deutungs-Hoheit ist die authentische Erschöpfung. Und nur von der eigenen Deutungssucht kann man wirklich lernen, wie schwer sich Süchte abbauen lassen. In den Workshops lernt man also, sich rigoros mit dem Deuten zu beschäftigen. Man erklärt, man interpretiert, man legt alles aus, was einem in den Sinn kommt, man kommentiert einfach alles und sagt mal so richtig die Meinung. Für all diejenigen, die das noch nicht können, kann der engagierte Deutungs-Leiter eine kleine Deutungsfabrik errichten ( wie es oben von David Lynch im Bild und dem Entwurf von H.R. daneben sehr hübsch dargestellt ist, natürlich in meiner eigenen Deutung), wo man unter Gleichgesinnten in den wahren Genuss der Deutungssucht kommt. Dann wird man langsam aber sicher reif für die Erschöpfung. Ist dieser Punkt erreicht, kann man sich für die Hoheits-Mappe bewerben. Es wird geprüft, ob noch eine Deutungsregung vorhanden ist und ob die finanzielle Lage des Mappenerwerbers so einen Besitz ermöglicht. In diesem Fall wird die Anbringung eines Haus-Safes geraten. Auch hier bahnt sich für den Coach ein lukrativer Nebenverdienst an, denn er bekommt von den Safeverkäufen Prozente. So wirkt alles mit allem zusammen und jeder hat was davon. Für die, die jetzt denken, das sei zu elitär, ja gut, sage ich dann, so what? Und wer deutet denn am meisten hier herum? Man bekommt ja die Mappe nicht für gutes Deuten, sondern durch das Erringen und Erreichen des Deutungslosen über das natürliche Mittel der Erschöpfung. Gerade dieser Zustand ermöglicht jedem eine funktionierende Herabschraubung der Ansprüche an sich selbst und andere, und bevor der Deutungs-Hoheits-Folder auf der eigenen Hand und im eigenen Safe liegt, hat man wie nebenher gelernt, einfache Dinge wieder zu schätzen: Herbstlaub…Bettdecke…undsoweiter.

 


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