Spaltkunst

Eigentlich ist es ganz schön, mit tropfendem Regen zu erwachen, es kommt auf die innere Befindlichkeit an. Die Spalt-Photos zeigen die ersten Tropfen, die vor meinen Augen herumhingen, und man spürt die Nüstern der kollektiven Aufatmer, wenn es doch vielleicht noch ein Rasenmähtag werden will. Die drei Minuten Nachrichten, die ich mir morgens beim Schminken gönne, waren auch nicht wasserfrei, im Gegenteil waren sie voller Wasserunheil und voll von fliehenden Menschen, die ihre Haut ins Trockene bringen, aber nicht wissen, ob sie ihre Häuser wieder vorfinden, wenn das Vorhergewarnte tatsächlich eintrifft. Dafür, dass die Erde manchmal als so klitzeklein im All herumschwebend beschrieben wird, sind auf ihr doch Unmengen von Menschen gerade auf der Flucht. Die einen fliehen vor dem Feuer, die anderen vor kranken Gehirnen, die nächsten vor Wasser. Wo kann man das alles unterbringen. Man kann es eben nicht, und man muss auch nicht alles in sich beherbergen, so als hätte man die Galaxien als Stauraum gemietet. Dabei ist der Samstag, nein, nicht wie in Indien dem düsteren Saturngott gewidmet, sondern mein Samstagmorgen ist dem lockeren Marktlückenprodukterfindungstag gewidmet, an dem ich mich für das kaum Machbare einsetze, mit dem man ein Goldesel werden kann. Ich lasse also meine Gehirnwindungen und die Synapsen und alles, was da oben so unglaublich wichtig scheint, ein paar Lockerungsübungen machen. Als Abschluss davon erzeuge ich sehr kurz einen Altar, auf dem eine Minitomatenabspaltung (siehe oben im Bild) zum Symbol meines Erfindungsreichtums wird, der sich nirgendwo beweisen muss. Gut. Dann lasse ich die Idee sich entfalten. Heute ist es ein unglaublich feines Instrument, sagen wir mal die Hälfte einer Rasierklingenbreite, und am besten setzt man dieses Wunderwerk ein in eine Silberfassung, damit es handhabbar wird. Dann macht man sich an die mühselige Arbeit der Leaflets, so an die 100 000 Stück für`s Erste, und aquiriert sich dusselig, bis eine angemessene Kundschaft erzeugt ist. Denn hier kommt der erste perfekte Haarspalter auf den Weltmarkt!!! Das leuchtet sofort einem millionenschweren Kundenkreis ein. Wer kennt nicht den besorgten Blick, vor allem der Frauen, auf das an den Spitzen gespaltene Haar, das sich trotz aller biologischen Nachspüllotions partout nicht zusammenfügen will. Genau da setzt die (psychologische) Wirkung des Produkts ein. „Die verblüffende Kunst des Haarespaltens“ steht nun an den Fenstern der profitträchtigen Salons. Teuer, aber beeindruckend. Indem man statt hilflosem Zusammenfügenwollen einmal alle Haare kunstvoll gespaltet hat, hat man ganz nebenher aus einer Brüchigkeit einen doppelten Gewinn gemacht. Da die Haarspalterei zeitaufwendig ist, kann man während des Prozesses im Haarspaltsessel entspannt reflektieren, wie aus Zwei selten Eins wird, egal, wie viele Hilfen dafür eingespannt werden. Das gespaltene Haar, um das sich nun gekümmert wird, führt mühelos zur gespaltenen Psyche, um die sich noch gekümmert werden muss. Hat man sie alleine, oder ist sie eine Volkserscheinung!? Sind Gut und Böse etwas nicht gleichmäßig bedacht worden, und einem davon wird immer Vorrang gegeben? Denkt man von sich als richtig lieb, führt es zur Spaltung, oder man denkt sich richtig bös zurecht, führt es auch zur Spaltung. Nun hat man sich aber günstigerweise zur totalen Haarspaltung entschieden. Wenn diese die Haarwurzeln erreicht und man das ganze Ausmaß des Vorgangs begreift, kann es einem durchaus besser gehen. In immer größer werdenden esoterischen oder sogenannten spirituellen Verbänden kann man das Produkt auch „Die tantrische Klinge“ nennen. Na, wenn das nicht zündet! Man könnte da auch noch ein Mantra dazubasteln. Ich gebe gern ein Beispiel aus meiner eigenen Zauberkiste:
OM! Shrim! Plem! Plem!
Frage:
Was spinnst du, was spinnst du,
was spinnst du da so alleine?
Antwort:
Aus meinem Faden rinnen Spielwiesen,
die fangen den schlafenden Riesen ein.

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