brüten


Vollkommenes Wunder
Was das Osterei mit dem hochrangigen Christenfest zu tun hat, weiß ich nie so genau, vermutlich ein Mangel aus tieferem Interesse oder meinem ansteigenden Desinteresse allen etablierten oder selbst ausgerufenen Religionen gegenüber, denn wir (vom gesellschaftlichen Wir) sind doch genug informiert worden darüber, dass wir als menschliches Gemeinschaftsprojekt an der Kippe stehen, einen Tanzschritt vom Abgrund entfernt. Und selbst wenn der heilige Vater aus Rom befiehlt, dass das sinnlose Morden aufhören soll, haben die Söhne keinerlei Bock auf Gehorsam. Ansonsten geht es ja in diesen Tagen viel um Eier und die gefürchtete Fruchtbarkeit der Hasen, die gerne abgeknallt werden, wenn sie nicht gerade große Eierkörbe durch die Kinderbuchzimmer tragen, oder Kinder selbst die bunten Ursymbole unter den Hecken des Gartens herausfischen. Nun, wir (vom persönlichen Wir) essen keine Eier, das Weglassen von ihnen nebst Fleisch und Fisch ist ein alter Brauch aus der Yoga Praxis, wo man viel still sitzt und ungern von innen herausmodert. Also keine Eier. Aber gestern waren wir in der seltsam leer scheinenden Stadt, um im Museum eine Ausstellung zu sehen und  uns dann in der geräumigen Halle an einer riesigen Glasfläche niederzulassen mit einem wirklich exzellenten Kaffee vom Coffeeshop auf Rädern. Entspannt auf den Stühlen sitzend entdeckten wir direkt hinter der Glaswand ein brütendes Huhn auf einer aus der Tiefe aufgebauten Nestschöpfung, die jedem Kunstwerk Ehre macht. Alle paar Minuten kam der Partner bzw die Partnerin mit neuen Zweigen, an denen wohl auch Nahrung haftete. Da! passierte es, dass die Brüterin sich bewegte und wir die Eier sahen: sechs vollkommene Eier, für uns sichtbar gemacht am Ostermontag, dem Überbleibsel des arbeitsbefreiten Auferstehungstriduums (einst Sonntag, Montag, Dienstag). Irgendwann wechselten die beiden sich ab und ich grübelte, wie sie diesen mühelosen Genderwechsel so natürlich hingekriegt hatten. Vater und Mutter gleichberechtigt beim Brüten! Alles, was das Auge aufnehmen konnte, war so vollkommen, und gleichzeitig so zerbrechlich. Von dieser Art sind alle Wunder, da ist man schon froh, dass man teilhaben kann.

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