Schwärze

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Yogini, durchs Ungewisse navigierend
Auf die Nachfrage, wie es einem  geht, antwortet man meistens mit na gut, gut geht’s. Man will den Anderen ja nicht mit den eigenen Befindlichkeiten belasten, das erwarten die Gegegenüber auch nicht, sie wollen „gut“ hören, das ist entlastend und geht einen eh nichts an, denn alles davon Abweichende ist kompliziert. Kompliziert, weil jedes halbwegs authentische Interesse an der jeweiligen Befindlichkeit einem meist klar macht, dass man die Antwort darauf, würde jemand sich ernsthaft erkundigen, gar nicht weiß. Man weiß vielleicht gar nicht, wie es einem selbst geht. So war ich überrascht, dass ich heute früh an einem Tisch stand und mich auf einmal fragte, wie es mir eigentlich geht, oder wie ich mich fühle. Wäre ja schon interessant, herauszubekommen, wer wen hier fragt, wenn es eine Fragerin und eine Antworterin gibt. Sicherlich kann man jeh nach Einfallskraft die eine oder die andere Figur aus sich herauslotsen, die man dann jeweils befragen kann, aber sowas muss einem liegen. Als Antwort auf die schwierige Frage kam mir auf einmal die schwarze Yogifigur in den Sinn, die in einem unserer Räume steht. Ich fügte noch etwas Schwarz hinzu, schwärzer wollte ich es haben, tiefschwarz. Dann aber auch das Gold, das zu diesem Schwarz gehört: Es birgt eine Stille und dadurch eine eigene Schönheit. Natürlich lässt einen diese Art geistiger Leere auch an den Tod denken, wobei man sich selbst nur wünschen könnte, derart gelassen in andere Gefilde hinüberzuwandern, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat, obwohl es auch da genügend anderweitige Behauptungen dafür gibt. Auch haben sich viele Menschen, allen voran die Künstler:innen aller Zeiten, ungeachtet aller Umstände bemüht, ihre gegebene Zeit mit dem, was sie waren, zu füllen. Und vielleicht war so mancher darbender 27-Jähriger näher an seinem Selbstsein als ein siebzigjähriger Bewohner des Schlaraffenlandes. Bei der Frage an mich, wie es mir geht, fand ich interessant, dass sie offensichtlich auf das Fühlen zielte, das zeigt sich als wirklich schwer. Oder nicht? Wenn ich zum Beispiel beim Schreiben, also der Wortkomposition, den Schwerpunkt im Denken vermute, so ist das Fühlen hier das unterstützende Element, ohne das der Fluss nicht in Gang kommt. Man kann konstruieren, ohne zu fühlen, aber man kann das dann auch sehen oder hören. Ich verstehe meine eigene Sehnsucht nach der Tiefenschwärze als einen Versuch, mich dem Tod gedanklich zu nähern, diesem ungeheuren Geschehen, das alles, was von der Welt erfahrbar war, verschlingt und nicht wieder hergibt, nein. Auch das persönliche Spiel lebt von dem Stoff, der durch mich möglich und sichtbar wurde, und wie ich mich selbst in meiner Rolle zurechtfand. Mit den Entscheidungen, an den Kreuzwegen, auf den Marktplätzen der Matrix. Als wer ich dann letztendlich gehe, hinein in die goldene Schwärze der Nacht.

 

* Yogi: Ursula Güdelhöfer
Photo: Kalima Vogt

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