Sätze

Sieht aus, als wenn der Satz in den Wolken hängt, aber der Papierstreifen hing jahrelang an meinem Buchregal herunter, und immer, wenn ich mal drauf schaute, nickte was in mir. „Wahrheit ist die wache Anwesenheit“, man kann auch „freischwebende Aufmerkasamkeit“ dazu sagen, die Praxis schlechthin also in der Arena der psychologischen Kampfkünste. Eine der schönsten Liebeserfahrungen, die ich in diesem Leben hatte, gipfelte in dem Satz  „Fürchte dich nicht, denn ich bin bei mir“, spontan kreiert aus tiefster Erkenntnis heraus. Aber wann das tatsächlich stattfindet, das Beisichsein, das wache im Hier-und Jetztsein, das „Sehen, wie es wirklich ist“ durch die eigene, wache Anwesenheit, wenn keine Projektionen, keine Wünsche, keine Meinungen mehr im Weg stehen, die Nacktheit des freien Raumes also spürbar ist. ja, wann findet das statt. Man muss ja die Bedingungen dafür in die Wege leiten, wenn man den Schock der Erkenntnis überhaupt überlebt und genügend Willen zur Verfügung hat, oder Durchhaltekraft, um den Prozess, der sich in Bewegung gesetzt hat, nicht aufzuhalten, weil man (vorübergehend) das Gefühl bekommt, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Aber der Boden ist eh nicht stabil, denn immer noch werden wir auf stetiger Fahrt  durchs All befördert, und sind gleichzeitig die, die vorüberziehen, und überall Ankommende und sich Verabschiedende am laufenden Band. Und da es keinerlei Gewissheit gibt, wie lange jemand eine Aufenthaltsgenehmigung hat, können Sätze, die einen als wahrhaftig ansprechen, eine gewisse Tragweite haben, oder sogar, wenn sie pfeilartig ins Bewusstsein dringen, tiefe Veränderungen in einem hervorrufen. Es gibt ja diese Geschichte eines Königs, der seinem Berater befahl, einen Satz zu finden, der auf absolut alles Existierende passte, und der Satz ist „This, too, shall pass“, und der wird immer wahr sein, denn alles, was da ist, wird irgendwann einmal vergehen, vor allem wir selbst, wir werden vorübergehende Gäst:innen gewesen sein. Daher kann die Anforderung an  unsere geistigen Kräfte ziemlich anstrengend sein, nämlich: wie und wodurch die verbleibende Zeit am besten verbringen, Schwerpunkt auf: am besten! Sich auf das Seil wagen zwischen Haben und Sein? Hinunter stapfen in die Tiefen, wo allerlei Dämonen wohnen, aber auch reine Quellen sprudeln, weit, weit weg von jeglichem Autogehupe. Oder in die Höhe schnellen, pure Vertikale, hinaus über die förmlichen Grenzen, und dort im Irgendwo einen Anker werfen, der die gewünschten Illusionen manifestiert. Oder aber alle Anker und Geländer verwerfend und schauen, wie viel Raum so ein Staubkorn-Ich im Gewebe des Nichts eigentlich braucht, und gibt es ein letztes Brauchen. Und wenn ja: wen oder was? Truth is the awake presence.

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