vorausgesetzt


freundlich
Es ist ja nicht wirklich möglich, dem Prozess des Älter- bzw. Altwerdens durch irgendeine sei sie noch so übergeordnete Tätigkeit oder Gedankenstruktur zu entkommen. Nicht, dass es überhaupt um ein Entkommen geht, obwohl auch intelligente Geister sich empört haben über diese zwanghaft einem auferlegte Zumutung. Und ja, wer will schon während des Jungseins darauf achten, dass gewünschte Exzesse später zu ungünstigen Resultaten führen könnten, was nicht immer der Fall ist. Als ich nach vielen durchgerauchten Jahren dann doch einmal zum Lungencheck gehen musste und auf die Rechnung meiner früheren Raucherleidenschaft wartete, hatte ich überhaupt nichts Schädliches an der Lunge. Es war die Zeit ungetrübter Raucherfreude, als einen noch nicht auf jedem Tabakbeutel die gräßlichsten Raucheralbträume entgegenstarrten. Es gibt Zeiten, wo man ganz klar mit etwas aufhören möchte oder muss, sei es nun das Rauchen oder Steak Tartar zu einem Schluck Bloody Mary. Die Sachen selbst sind ja immer der harmlosere Teil, das andere die Handhabung des Verfügbaren, und wie man sich damit fühlt. Epikur hielt es mit zwei unterschiedlichen Weisen, einmal mit der Schlemmerei, andrerseits wog er sie aus mit der bereitwilligen Kargheit, sowas wie Brot, Käse und vielleicht ein Glas Rotwein, eine andere Form von Luxus, den es zu schätzen gilt. Und schreiten also die Jahre voran, kann man auch hier über den Mangel an Herausforderungen nicht klagen. Denn welche Art von Zauberformel möchte man denn selbst für das eigene Älterwerden aus dem großen Weltenhut hervorzaubern, und wie weit ist es einem gelungen, den persönlichen Raum offen zu halten für eine freie, selbstbestimmte Haltung der eigenen Lebensführung gegenüber. Auch in Indien war es nicht mehr möglich, sich über die immerhin potentielle Möglichkeit der Weisheitserwerbung zu unterhalten. Früher konnte man sie noch zuweilen antreffen, die älteren und alten Weisheitsträger:innen, aber als der eisige Wind der digitalen Revolution durch die antiken Gehirne fegte, änderten sich die Symbole der Macht, und an Weisheit war kaum mehr zu denken. Sie kann ja nicht wirklich erworben werden, sie ist günstigerweise ein Resultat vieler verborgener Entscheidungen, wenn an den Kreuzwegen immer nur Eine/r die epischen Entscheidungen treffen musste und wollte und konnte, eben wenn wir vom Schicksal erwischt werden und ein Lichtstrahl in die Luke fällt. Oder wenn der Körper unversehens ins Rampenlicht rückt und Raum beansprucht für eigene Monologe. Wer ist Mistress, wer Sklave? Nicht, dass es hier (noch) um moralische Wertungen geht, nein, es geht um Klarheiten, oder vielleicht geht es nur um eine einzige, unumstößliche Klarheit: wer immer ich auch durch mich selbst geworden sein mag auf dem immer länger werdenden Pfad, so ist es gut, diese Wanderin zu kennen, soweit das möglich war und immer noch ist, und Freude zu haben an der persönlichen Begleitung, was einige Mühen voraussetzt.

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