wettern

In Indien kam ich (auch) einmal auf den Gedanken, dass viel von dem, was wir und die Einheimischen selbst in dieses bombastische Gedankentum hineinglegt haben, mit dem Klima zu tun hatte. Deshalb reisen die Fremden spätestens Ende März ab, dann kann es ohne uns weit über die 40 Grad hinausgehen. Kalt wird’s auch, allen Gerüchten zum Trotz, und auch deshalb kalt, weil es keine Zentralheizungen, allerdings aber Heizöfen gibt, die zu hohen Rechnungen führen, kennt man nicht zufällg jemanden, der die Leitungen anzapfen kann. Extreme Wetterbedingungen führen also zum Sitzen, man hockt viel herum und nimmt viel auf von dem tosenden Strom der Vorüberziehenden oder des eigenen Schicksals. Viel Denkzeit ergibt sich, Grübelei begleitet die Ebenen hinauf und hinab und man erwartet von den Göttern, dass sie Sinn in das Ganze tragen. Es wird klar, dass nur sie es vermögen. Aus dem Herumsitzen entwickeln sich Techniken, wie man das Ganze durchdringen und überhaupt aushalten kann, am besten allein in einer Höhle weit weg vom Menschenstrom. Oder man heiratet eben, der große Strohhalm, der automatisch Freiheit vom trägen Sitzen verspricht, denn Ehen und Kinder bringen Bewegung in die Sache. So entstehen zwei Systeme, die dem Wetter trotzen können: das Familiensystem und das Yogasystem. Da fällt mir natürlich der Witz ein, wo Frau Meier Frau Schulze im Supermarkt trifft und sie fragt, wie es ihrem Sohn geht. „Der meditiert jetzt“, meint Frau Schulze. „Ahh soo, sagt Frau Meier, „na ja, besser als rumsitzen und nichts tun“. Dabei tut man ja ganz schön viel beim Herumsitzen, zum Beispiel hier in Deutschland, wo nur ab und zu mal die Sonne herauskommt, benebelt vom Wüstenstaub. Alles atmet auf, Bäume, Blüten, Tiere, Menschen, und heraus mit den Flip-Flops. Rein mit der Winterwolle in die Maschine, doch halt, was prasselt da draußen schon wieder! Eiskörner prallen auf teure Autodächer, Fluten bahnen sich neue Wege durch Stadt und Land, meterhohes Wasser in Kellern. Das prägt uns auch und unsere Kultur, dieses lange, sonnenlose Wintern. Grübeltreppen führen auf komplexen Irrwegen in die schwelenden Kindheiten und in die suchterzeugende Suche nach den Gründen der unruhig flackernden Flamme. Auch da kommt es zur Yogapraxis. Ich selbst konnte beobachten, wie erst neulich meine Hand weder zu den Pinseln griff und sich erfreute an der Vielfalt von Farbe und Form, alles möglich im Innenraum: der Aufruhr, die Gegenwehr, die Ausrichtung auf das Trotzdem des miesen Wetters, die Dankbarkeit für Holz und Freundschaft, der Umgang mit den Verbrechen von uns Erdlingen, die der Erde entziehen, was sie selbst so dringend braucht. Die Temperatur, die einen in Schach halten kann, oder gar das Schachspiel selbst wieder belebt.

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