verändern

Gestern hatte ich Besuch vom Pujari (Tempelpriester) des Krishna-Tempels, der gehört hatte, dass ich schon länger hier bin und sich fragte, warum ich nicht wie sonst an meinem Steinsitz am See aufgetaucht bin mit meiner Schreibausrüstung. Damals hatte sich in der Nähe auch ein Sadhu niedergelassen, den ich aus meiner Sadhni Wanderzeit kannte. Und so kam es dazu, dass wir morgens öfters mal zusammen herumstanden, bis Lakshmi Kant dazu kam und von nun an uns allen besten Chai brachte, er hatte um die Ecke einen Chai-Shop. Das erzählte mir alles Rahul am Morgen noch einmal mit einer gewissen Wehmut, denn so etwas konnte nicht immer geschehen, sondern es hatte seine eigene Zeit, immerhin über Jahre hinweg. Es erinnerte mich an das Thema über die Anderen, und wo uns ihr Dasein betrifft. Unsere Treffen waren schon deshalb gelungen gewesen, weil wir aus vier vollkommen verschiedenen Welten kamen und uns auch sprachlich bemühen mussten, damit das jeweils Gemeinte bei allen ankommen konnte. Der Sadhu und Lakshmi Kant sprachen kein Englisch, Rahul, der Pujari sprach es fließend, ich lag so in der Mitte zwischen Hindi und Englisch, und so war es für uns alle auch eine kleine, angenehme Abwechslung in unseren verschiedenen Routinen des Alltags. Nun klagte Rahul darüber, dass alles im Tempel unerträglich für ihn geworden war, zu viele Menschen ohne wirkliche Ernsthaftigkeit, dadurch zu laut und leer, sodass er nun  nur noch ganz früh seinen Dienst macht und um 10 Uhr wieder geht. Da so eine Tempelarbeit auch immer eine Geldquelle ist, will er sich demnächst was anderes einfallen lassen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, das ist doch vernünftig. Auf meinem Tisch lag die deutsche Übersetzung des heiligen Textes über diesen Ort hier, den mir Aditya Malik, der Übersetzer und brilliante Kommentator dieses Werkes,  vor vielen Jahren auf der Terasse der Maharani von Jaipur überreicht hatte und der scheinbar nur in Sanskrit, aber nicht in Hindi existiert. Gierig blätterte Rahul darin herum und war hell entzückt, als er auf der noch schwarz/weißen Bilderstrecke „seinen“ Tempel vorfand, allein auf weiter Flur, während er nun von Hotels und einer befahrenen Straße umringt ist, auf der anderen Seite aber immer noch an den See grenzt. Dieser Besuch bestätigte mir den Eindruck, dass wir uns alle auf irgendeine Weise verändern und neu orientieren müssen, um den Tatsachen gerecht zu werden. Diese Tatsachen des global Unabänderlichen, mit dem man umgehen muss, gab es sicherlich auch schon „immer“. Aber es besteht kein Zweifel, dass durch die Neuheit der durch und durch informierten Weltbevölkerung sich vollkommen unbekannte und ungewisse Dimensionen auftun, die uns weiterhin bedrängen und beschäftigen werden. Denn wir sehen nun die Möglichkeit, dass der Mensch seinen Wohnort unlebbar machen kann. Und so beschäftigt es uns, die gerade Lebenden, wie wir mit dieser seltsamen Todessehnsucht oder dem Vernichtungswillen umgehen sollen, und ob wir als Einzelne noch die Kraft aufbringen können für ein gutes Überleben mit den Anderen.

 


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