wirklich (?)

Ebenso, wie wenn man überall Elefanten oder Bananen sehen kann, wenn man auf sie fixiert ist, so kann man auch ziemlich mühelos Götter sehen. Geballte Wolken eignen sich dafür, und hat man mal einen gewissen Grad an Überzeugung oder Besessenheit erreicht, tut’s auch eine Wand, an der der Monsoon gearbeitet hat. Es hat mich aber immer mal wieder beschäftigt, w i e  lebendig und „real“ sich Dinge auf einer bestimmten Ebene anfühlen, wenn man die innere Energie in eine Höhe stemmt, die sich ganz leicht auch d e m entziehen kann, was wir gerne den gewöhnlichen Alltag nennen, wo Vernunft und Nüchternheit und Knowhow geschätzt sind, daran ist ja nichts auszusetzen. Erstaunlich ist doch vor allem, dass es die Möglichkeit einer freiwilligen Anstrengung in die Vertikale überhaupt gibt, genauso wie die dunklen Korridore der Psyche, zu denen man hinabsteigen muss, günstigerweise mit einer Laterne in der Hand. Nun habe ich von Reena diese vertrackte Trilogie eines Mannes geschenkt bekommen, der Amish Tripathi heißt und viele Jahre bei der Bank sein Leben dahingab ins trübe Muss des Verdienens, bevor klar wurde, dass er geeignet ist dafür, Romane über Götter zu schreiben. In dieser Trilogie wuseln sie nicht im Himmel herum, sondern sind Menschen auf der Erde, und es geht ihm vor allem um Shiva, der natürlich ein heldenhafter Typ ist mit einer blauen Kehle, der von seiner Vergottung nichts wissen will. Doch für viele ist er der Nilkantmahadev (der große Gott mit der blauen Kehle), auf den sie gewartet haben, also von denen erwartet wurde, die die Prophezeiung kennen. Das erinnert mich natürlich an „Dune“ von Frank Herbert, wo auch einer zum Gott gedrillt wird und die Zeichen erfüllen muss. Oder Jesus, dem seine angeblichen Wunder leider nicht viel geholfen haben. Anil meinte mal zu mir, jeder Mensch wolle doch ein Gott sein, ach echt jetzt, wunderte ich mich. Aber vielleicht ist ja was Wahres dran an der Tatsache, dass wir das Erhabene so mögen, wenn jemand es produzieren kann, und dann wollen wir auch so ein Dumbledor sein oder von mir aus eine Naga Queen, die mit den geheimen Pfaden des Dschungels vertraut ist, auf jeden Fall vieles besser kann als wir wie zaubern und heilen und mächtig Gutes tun unter den Menschlingen. Natürlich reizt es mich auch zu wissen, wie weit ein Mensch jenseits des Phantastischen wirklich Mensch werden kann. Oder haben wir hier den Kipppunkt, auf den viele von uns bewusst oder unbewusst konzentriert sind: dass wir, solange wir uns selbst im Weg stehen, nicht wirklich wissen, was sich verbirgt hinter unseren Masken und Identitäten, und was, wenn wir eines Tages von uns selbst befreit sein könnten und einfach weitermachen, als wäre nichts geschehen. Denn die Welt wird  sein,  was immer die Gedanken der Weltbevölkerung daraus machen, aber man selbst kann ja ruhig mal schauen, wer man wirklich ist, und ob es eine wirkliche Wirklichkeit überhaupt gibt.

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