nähern

Ich nähere mich jetzt, mit kleinen Schritten und einigen Umwegen, dem Indien, das mich so berührt hat und diese Kraft immer noch auf mich ausübt, sodass ich nie hätte sagen könnte, dass mein Leben ohne es auch nur im geringsten vorstellbar wäre: nein, alles Vorstellbare danke ich vor allem ihm, beziehungsweise ihr, denn man nennt das große Es hier „Bharat Mata“ (Mutter Indien), so war es jedenfalls gedacht, und was einmal gedacht wurde, bleibt immer Zugang. Eine Mutter also wie die Natur, unmäßig in ihrem Output, gnadenlos sich freischaufelnd von allen Ideen und Konstrukten ihrer Bewohner*innen, sodass man am besten ganz da drin sein muss und dieses Chaos möglichst freiwillig  (und humorvoll) lieben, wenn es einen nicht gerade erschreckt oder erschüttert, das kann es auch ganz gut, einen an den Rand des Ertragbaren schieben, wo man dann einen Nu lang einsam herumsteht und Angst hat zu sterben. Was soll man besprechen oder besingen in dieser mit Rosengärten bestückten Wüste, ein jeder und eine jede mit seinem oder ihrem Spiel beschäftigt, und ich meine hier die Teilnahme an einem Großen Spiel (Maha Lila), dem man sich kaum entziehen kann, denn die Götter, die hier die Dramaturgie beherrschen, sind nicht wegzudenken, obwohl ein vielleicht noch mächtigerer Gegenspieler aufgetaucht ist. Schleichend und gleichzeitig schnell hat sie sich eingenistet: die Technik, und saugte genüßlich von einst hohen Orten und Gewissheiten diese Gewissheiten hinweg. Und immer noch sieht es aus, als wäre das alles dasselbe, aber natürlich ist es das nicht, es kann ja nicht mehr dasselbe sein, wir sind doch bereits im dunklen Zeitalter, wo alles Leben ständig mit Maschinen bearbeitet wird, daher heißt es ja: Eisernes Zeitalter. Nun bin ich also nach zwei Corona-Jahren zurück und forsche in den Gesichtern nach Spuren dieser Zeit und finde sie auch als eine Art vorübergezogene Verdunkelung, die nun den Blick wieder öffnet für das Hellere, das Damals, das als normal Empfundene. Wieder eine Auswahl von Gemüse in den Marktkörben, das großzügig eingesetzte Gift hat sich durchgesetzt, alles, aber tatsächlich alles, ist teurer. Für uns, die wir mit Euros antanzen, immer noch mehr als erschwinglich, ich verbeuge mich dankbar vor den Tatsachen. Der Gemüsemann heißt Shyam und ist ein ernst wirkender, aber verschmitzter Typ. Wir lachen viel, während ich doppelt so viel kaufe, als ich vorhatte. Mit den meisten Indern, also denen, denen man selbst begegnet, kann man schlichte, aber prägende Beziehungen aufbauen, manchmal nur bei einem Chai unterwegs, aber man vergisst ihn nicht, den alten Mann mit dem Schal um die dünnen Schultern, der einem den köstlichen Tee in einem Tongefäß zubereitet hat.

 


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