schwer heilbar

Ich habe das schon einmal als eine Überraschung beschrieben, dass ich seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine selbst keine Bilder mehr pinsle und eigentlich vom Gedanken her erwartet habe, das Wort unpassender zu finden als das Bild, aber mein innerer Raum, also auch die Bildfläche, ist belegt mit dem unheilschwangeren Geschehen. Ich müsste mich demnach dem Anspruch stellen, diesen Erfahrungen Ausdruck zu verleihen, und danach ist mir zur Zeit nicht und bemühe lieber die Worte, mir den Dienst zu erweisen, mich wenigstens in die Nähe des Unsagbaren zu wagen. Gleichzeitig gleiten gerade eine Menge Papiere durch meine Hände. Es sind meine Sammlungen von Bildern und Texten, die ich für aufbewahrungswert hielt und teilweise noch halte, obwohl mich auch jeder Schwung in die Papiertonne erfreut. Beim Durchforsten der Bilder fiel mir der leicht sagbare Satz ein, dass „alles mit allem verbunden sei“, und ja, es stimmt in vieler Hinsicht. So erfahre ich auch, dass meine Gefühle und Befindlichkeiten sich Verbindungen suchen in diesen Bildern, die ich selbst einmal aus anderen Kontexten heraus gewählt habe,  und die nun in freier Assoziation etwas von mir ausdrücken, eben eine Möglichkeit der Belichtung für innere Vorgänge. Insofern lebt jede/r in seiner und ihrer eigenen Welt und wir stellen die Verbindungen her, die uns ansprechen. Mit der offensichtlich unsterblichen Tragödie des Krieges mit seinem unausrottbar männlichen Heldentumsgebaren, den davonfliehenden Ehefrauen (und einfliegenden Krankenschwestern), den Müttern und Kindern, die täglich in traumatisierte Zukunften hineintaumeln, und die Vernichtung jeder Vorstellung mit sich bringen davon, wie weit Menschen ihre Entgleisungen vorantreiben können. Oder auch die Maskerade, die benutzt werden kann, um die eigene Fremdheit entweder zu feiern oder zu verbergen. Ich ziehe gerade die gehörten Nachrichten vor. Nicht zu viele von ihnen, denn alles läuft überall auf Hochtouren, und Bilder finden nun einmal ihre Wege in die tieferen Schichten des Gewebes. Da kann man sich auch für das eigene Resonanzfeld entscheiden, wenn es einem noch zur Verfügung steht. Das Bild, das ich heute gewählt habe, ist von einem Mann namens Georg Paulmichl, der in einer Werkstatt für „Behinderte“ malt und dichtet, und dessen Talent von einem Betreuer entdeckt und unterstützt wurde. Paulmichl sagte: „In der Werkstatt bin ich ein Dichter. Dichter sein ist ein feiner Beruf.“ Das Bild hat mich berührt durch seine verletzliche Zartheit. Es ist das, was in den Kriegen zerstört wird und was sich so oft nicht mehr erholen kann. Man sieht das schwer Heilbare in die Gesellschaften einziehen.

 

 


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