Botschaften

Manchmal denke ich, dass auf einem oder meinem Bild nur d a s sichtbar ist, wie ich es sehe. Dann fällt mal einer meiner anderen Blicke darauf, und ich sehe etwas völlig anderes. Nie weiß ich, was die BetrachterInnen sehen, und da ist der Geist auch sehr frei, das kann auf beiden Seiten geschehen. Allerdings habe ich dieses Jahr zum ersten Mal in meiner Geschichte des WhatsApp-Austauschs eine Kommunikation abgebrochen. Ich hatte die Frau in Indien getroffen und wir führten ein paar interessante Gespräche über Land und Leute und unsere sehr unterschiedlichen Sichtweisen darüber und Erfahrungen damit. Menschen, die Indien lieben gelernt haben, kommen oft erstaunlich gut miteinander aus, denn wer es geliebt hat, kommt immer wieder. Dann kennt man sich allmählich aus im Irrgarten der Fremdheiten und hat sich meist für irgendeine der möglichen Formen entschieden, die dort möglich waren. Waren, weil sie nicht mehr sind, vor allem verstärkt durch die Pandemie, also Indien ohne uns. Dann verlor ich besagte Frau aus den Augen, sie wurde Dozentin in der Schweiz und schrieb ein Buch über die Deutschen in Indien während der Hitlerzeit, ein interessantes Thema, gut recherchiert. Nach einer langen Pause kontaktierte sie mich und wie sprachen wieder über Indien. Aber hauptsächlich fing sie an, mir alles Mögliche zu schicken, offensichtlich unter dem Eindruck, ich könne die Botschaften, die wohl damit verbunden waren, mühelos verstehen. Oder aber es war auch das nicht, sondern es kann sein, dass ich auf einer Liste stehe von Menschen, die sie mit Bildern beglücken wollte und diese Beglückung für selbstverständlich hielt. Zwei Mal habe ich angerufen und versucht zu informieren, dass mir ab und zu ein direktes Gespräch lieber wäre als z.B. vier tanzende Jungfrauen in Saris anlässlich irgendeines Festes, das ich nicht kenne. Aber die Bilder mehrten sich und mir wurde klar, dass ich hier geistig in etwas eingeordnet werde, wo ich nichts von mir wiederfinden kann. Nun  hätte ich das alles weiterlaufen lassen können, aber warum? Da war ein Mensch, den es noch nicht mal interessierte, wen sie da mit Botschaften bombardierte, die ihr Ziel vollkommen verfehlen mussten. So erscheint zuweilen diese Fülle an Postings eher als eine Reaktion auf abgründige Angst und Einsamkeit, und all das wird nicht gesandt an den Adressaten zur Bereicherung seiner oder ihrer Zeit, sondern um die eigene Vereinsamung vor sich selbst als Bereicherung zu deklarieren. WhatsApp Botschaften sind sehr einfach zu senden, und es ist durchaus angebracht zu bedenken, was der Empfänger alles verdauen muss, will man annehmen, dass das Weitergeleitete auch ankommt. Aber was soll ankommen und wer ist gemeint?  Neulich ist mir das mit einem einzigen Bild passiert, von dem ich annahm, ja, gar nicht infrage stellte, dass die Empfängerin sich daran erfreuen würde. Stattdessen kam die Frage: was ist die Botschaft? Ich fand zuerst, dass das keine Botschaft brauchte, so klar erschien es mir, was es zeigte. Trotzdem musste und wollte ich mich aufmachen, hier einen Zusammenhang herzustellen und  diesen mitzuteilen, und im Prozess wurde mir selbst klar, was ich damit sagen wollte. Und ich finde es angebracht zu bedenken, was ich mit dem verursache, was ich in die Welt gebe. Und rechtzeitig aufmerksam darauf werde, wenn von dort, wohin ich etwas mir bedeutungsvoll Vorkommendes hinsende, nicht mal mehr ein Echo erscheint. Dann habe ich die Verbindung (sofern vorhanden) (mit der Frau aus der Schweiz) abgebrochen.

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