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Neulich fiel mein Blick, leicht ermüdet vom eigenen gedanklichen Tun, auf ein Buch von Helmut von Glasenap, einem Indologen und tiefen Kenner des indischen Denkens, das nicht leicht zu erschließen ist. Das Buch hat einen  dunklen Rücken, auf dem mit goldener Schrift „Brahma und Buddha“ steht. Lange habe ich nicht hineingeschaut und blättere nun erstaunt herum, denn wahrlich weht mich beim Öffnen ein Wind an, der könnte so weit herkommen wie, sagen wir zum Beispiel die römische Kaiserzeit, in der bereits Menschen im Abendland lebten, die unbedingt wissen wollten, was sich im Orient eigentlich so Erstaunliches abspielt(e), von dem man immer mal wieder hört(e). Das Buch kam, wie ich sehe, 1926 heraus, was ja einerseits nicht sooo lange her ist, andrerseits befällt einen geradezu die Erinnerung an die vergangenen Jahre. Hier erzählt einer vom Indien vor dem Fernsehen und vor den Internetläden und vor dem Smartphone, das plötzlich in jedermans Hand nicht fehlen darf. Eben wie bei uns, nur, dass diese neuen Items in der Hand der sogenannten Heiligen und Weisen schon ziemlich komisch wirken. Nicht, dass man mit Handy nicht auch heilig sein kann, wenn es denn Heiligkeit gibt. In der Einleitung des Buches kann man von ein paar Weisen, die von Abendländern befragt wurden, als was sie sich denn selbst sehen, hören, dass sie sich als „Götter“ bezeichneten, weil sie „gut“ seien. Was einen wieder einmal zu der interessanten Frage führt, aus was eigentlich „Gutsein“ besteht, wenn es denn Gutsein gibt. Auch vor dem westlichen Einfluss wird von indischer Seite her gewarnt, damit das vedische Erbe erhalten (und das Blut rein) bleibt. Und in der Tat habe ich selbst noch erlebt, wie da ein Gespür war von etwas, dass es nirgendwo sonst gab. So ein glühendes Einlassen auf die Idee des Göttlichen und seine vielen Gesichter. Und nicht nebenher, nein, alles war dieser Idee untergeordnet, weil es um sehr viel geht; das Leben halt und seine Kostbarkeit, um die man auf viele Arten und Weisen ringen konnte und musste, um zu etwas zu gelangen, das nur durch Erfahrung erfahrbar war und daher auch der Große Tod genannt wurde, weil, hat man sich einmal eingelassen, es kein Zurück mehr gibt. Nun sind das einerseits wie gesagt nur ein paar Jährchen her, und andrerseits ist in dieser Hinsicht das Ganze schon völlig gekippt, da allein tausende von stinkenden Leichen im heiligen Fluss bewiesen haben, dass der planetarische Prozess in eine neue Phase eingetreten ist. Wenn der Wald, in dem ein Asket sitzen will, abgeholzt wird, hilft ihm sein Bedürfnis nach Versenkung erst einmal nichts. Klar, er oder sie kann weiterwandern, aber wohin? Soll er sich impfen lassen oder bei der Prana-Praxis einen Mundschutz tragen? So versinken Kulturen entlang den universellen Kriterien, die sich ausdrücken, ohne geschrieben zu stehen. Und keiner weiß mehr (leider), was ihr wirklich unter „gut sein“ verstanden habt, oder ob es nur das Gerücht war, dass ihr euch fünf Zentimeter über dem Boden weiterbewegen konntet. Und wenn schon. Hauptsache, es hat keinem anderen geschadet.

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