totenstill

Doch, sagt schon was aus über meine Befindlichkeit, das Bild, flankiert von schmalen Ausschnitten der indischen Verbrennungsstätten, die früher, also vor der Pandemie,,  ’shamshan‘ genannt wurden, jetzt aber ‚die Hölle auf Erden‘. Im linken Ausschnitt habe ich dann eine menschliche Figur entdeckt, einen Körper, wahrscheinlich ein Toter in der Verbrennungswarteschleife, oder aber ein todmüder Helfer, der mal kurz verschnaufen musste. In mir meldet sich auch eine Totenstille, eine Form des Umgangs mit dem existentiell Ungreifbaren. Oder greift gerade dann, wenn der Verstand notgedrungenermaßen aussetzen muss, einen das Unfassbare und befördert einen in greifbare Nähe, nimmt dann den verfügbaren Raum ein und wartet auf Anweisungen von der Steuerzentrale, der eigenen natürlich, nicht der von einem Anderen. Und doch konzentriert sich das persönliche Unbehagen oder der Unmut oder die Wut der LandesbewohnerInnen oft auf die regierende Macht. Zu Recht, denn wenn die politische Steuerung versagt, kann der Preis sehr hoch sein. Deswegen ist in bestimmten indischen Chat-Gruppen Narendra Modi immer öfters mit Hitler verglichen worden, und es wurde keineswegs verheimlicht, dass er die Muslims vollkommen entrechten wollte und will, denn er will, mit einer großen Menge von dubiosen Priestern im Hintergrund, das verschmutzte indische Blut wieder reinwaschen, die Hindutva-Bewegung also mit eindeutig faschistischen Zügen. Nun fließt aber viel Blut in eine andere Richtung, vielmehr viel Feuer und Asche verdichtet die Atmosphäre. Ungeheure Tiefen von Leid, von Ohnmacht, von Verzweiflung bahnen sich Wege im Unsichtbaren. Und natürlich wird diese nackte Präsenz des Ausgelöschten mit wenig vergleichbar sein, was ein Vorher darstellte. Extrem gestörte Ebenen des als ’normal‘ Empfundenen zeigen ihr entblößtes Gesicht, denn die Schutzvorrichtungen funktionieren nicht mehr, die Kolben, mit denen das Ganze gelötet war, schon so brüchig, schon so verletzlich, schon so krank, sodass es diesem Virus nun überlassen ist, das Verborgene sichtbar zu machen. Es ist wie ein Krieg, der auch gewollt werden muss, um stattzufinden, und wo es nicht einen einzigen toten Bruder gibt zum Betrauern, sondern so viele in überschaubarer Sinnlosigkeit ihr Leben lassen. Wenn es durchaus möglich gewesen wäre, die vielen kostbaren Lebenszeiten zu erhalten. Und man muss Modi etwas kennen, um zu wissen, wie sehr er Trump und Bolsonaro gleicht, zwei seiner Polit-Kumpels. Und ach!, auf dem Wagen der Kassandra schleppt man sich manchmal nur mühsam dahin, und freut sich dann doch, wenn es mächtige Stimmen gibt, die der Empörung Raum geben. Indien hat sie bereits, zwei Frauen (zum Beispiel), Arundhati Roy oder Mahua Moitra. Wem das Englisch nicht schwerfällt, kann sie leicht finden. Wer will bestreiten, dass Schweigen Gold sein kann. Aber es gibt Zeiten, da muss neben dem Schweigen auch die Empörung Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

 

 


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