Winkel

Die Mutanten werden also dafür sorgen, hört man, dass mehr Jugendliche und Kinder angesteckt werden, nicht würden, sondern werden, und das reicht nicht einmal für einen glänzenden, schwarzen Plastikstrohhalm, denn auf Stroh hat man zu einem gewissen Grad verzichten können, die Lage ist ernst, man hat verstanden. Hat man? Was genau gibt es denn zu verstehen. Für einen selbst, also mich selbst, ist das ja auch so ein Prüfstein, ob man tatsächlich ein gewisses kollektives Grundgefühl mitbekommen kann, und wenn ja, was damit machen. Angst und Verdrossenheit sind bei vielen Menschen da, und nun scheint auf einmal alles, was vorher war, besser gewesen zu sein als das, was gerade ist. Und natürlich kann ich mich dusselig ärgern, wer soll mich abhalten? Will ich aber gar nicht, sondern ich will, dass mir was Anregendes einfällt, mit dem ich das Zeitgefühlte bereichern kann. Ab und zu einem der intelligenten Komödianten zuhören, die zuweilen eine geradezu beneidenswerte Redefreiheit haben und man sie trotz ihrer beweglichen Intelligenz nicht ernster nehmen muss, als sie sind. Meistens sind es ja auch besonders ernste Menschen, deren Klugheit gewohnt ist, sich seltsame Bahnen zu suchen. Und treffen dann mit ihren Pfeilen direkt in den schwarzen Punkt. Und weil keiner verlangt, dass man die Pointen als den eigenen Abgrund erkennt, kann man herzlich lachen und gleichzeitig noch was dazu lernen. Ganz anders mit Trump. Gerne lockerte man für ihn die düstersten Begriffe, die einem einfielen. Oder konnte mit guten Freunden auch mal die Absurdität des männlichen Verhaltens bekichern oder durchstöhnen, bis einem die Haltlosigkeit des Unfassbaren bewusst wurde. Es war auch zuweilen unterhaltend, ohne Eintrittskarte vorgeführt zu bekommen, wie unheimlich das Menschsein sich zeigen kann, nämlich da, wo es auf Selbsterkenntnis konsequent verzichtet. Da stoßen dann gerne EsoterikerInnen und QAnon AnhängerInnen dazu, und bald haben sie es gemeinsam geschafft, dass keiner mehr durchblickt. Und da, wo die Verwirrung ihre exotischsten Blüten treibt, erzeugt sie gerne und wie automatisch einen Erlöser, der die Fäden in die Hand nimmt und so tut, als könnte er sie entwirren und in eine von allen gleichermaßen ersehnte Ordnung bringen. Irgendwann bildet sich ein natürlicher Drang, das Beklemmende abzuwerfen, sich dem Aufgezwungenen zu entledigen, das Steuer fest in die eigene Hand zu nehmen. Dafür muss einiges klar werden. Trump z.B. kann nur an Gewicht verlieren, wenn er zur Verantwortung gezogen wird und  ein Gericht, am besten gleich mehrere, ihn verurteilen. Unglaublich, wie groß die Hemmschwelle ist, einen Scharlatan wie Trump hinter Gitter zu bringen. Das wäre mit einer dunkleren Hautfarbe niemals so weit gekommen, das weiß auch jede/r. Vier Jahre mentaler Lockdown, das muss ein Land erst verkraften, und auch wir sehen ja hier in Deutschland, wie unausrottbar manche Dinge sind. Was heißt Dinge. Scheinbar unausrottbares Gedankentum. Moria. Hanau. Auschwitz. Das, was sich als Unverbesserliches durchgesetzt hat: die Dummheit, der Trugschluss, die Leichtgläubigkeit (usw.) Ach ja, die Mutanten, die sich breit machen in den Gehirngängen, die angstbesetzten Winkel geheimer Korridore, wo sich einnistet, was nicht verdaut werden kann. Vielleicht wird es Jahre dauern, bis erforscht geworden sein wird (jaja!), was mit Menschen in diesem vorgeschriebenen Lockdown alles passiert ist. Denn darauf war ja keiner vorbereitet, was es ziemlich abenteuerlich macht. Das sprachlose Virus im Zentrum des Wirbelsturms.

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