Jalaluddin Rumi

Yesterday I was clever,
so I wanted to change the world.
Today I am wise,
so I am changing myself.

 

verdauen


Ice & fire
Der auf vielen Ebenen tobende Kampf des Menschen um…ja was?…sein, beziehungsweise unser Hiersein, Dasein, Sichsein, kann und wird auf unzählbare Arten und Weisen gesehen und gedacht. Und wenn das in einem verhältnismäßig freien Land geschieht, gehört diese gedanklich rotierende Seinsweise zur Natürlichkeit des menschlichen Alltags. Das Kollektiv einigt sich auf das, was sich im großen Raster durchgesetzt hat als die vertraute Norm. Aber offensichtlich setzt sich da immer mal wieder das Undenkbare durch, weshalb nun Menschen auf die Straße gehen, um es mit Denkbarem zu konfrontieren. Gleich sagte wieder jemand, dass sie, die Demos, nicht genügen würden, aber hallo!, es ist ein Anfang. Ein Anfang für was? Es könnte immerhin ein erfreulicher Schub sein, z.B. für Amerika, das im Begriff ist, einen Psychopaten ans Steuer zu lassen, der von seiner Sekte als Gott gehandelt wird. Das sind ernste Zeiten und Zeichen, wo der Humor oft hinterher hinkt oder immer seltener auftaucht. In diesem sich anbahnenden Zeitalter müssen wir uns überraschenderweise durch geistige Materie wühlen, die wir als bearbeitet betrachtet haben. Die Frage: was stelle ich mir eigentlich unter Menschsein vor, erschafft Sperrgebiete in unbewohnten Wüsten. In den letzten Jahrzehnten war vielen von uns eine Freiheit ermöglicht, die es, vor allem für Frauen, in diesem Ausmaß nicht gab. Wir kontrollierten selbst unsere Menschwerdung, und aus dieser Praxis heraus wurde uns klar, dass die Erforschung des Menschen noch in den Kinderschuhen steckt. Natürlich auch deshalb, weil die Kinderschuhe etwas Gemütliches und Bequemes haben. Man nimmt einen Gott oder einen Guru oder einen Yogakurs dazu, und schon weiß man viel Neues, wofür das System Zeit zum Verdauen braucht. Das könnte ganz einfach so weitergehen, wäre da nicht etwas Nievorhergesehenes dazu gekommen, nennen wir es mal den technischen Fortschritt. Nun sieht es so aus, als würde sich dieser Fortschritt als ein Instrument entpuppen, das solche Suchtebenen erschafft, von denen keine/r von uns mehr entkommen kann. Daher der Gong. Es ist keine Wertung nötig, eine Entscheidung aber schon. Was stelle ich mir also unter den Möglichkeiten des Menschseins vor, und lebe ich mein Leben demgemäß. Dann vom Silber in den Glanz des Goldes kommen: angemessenes Handhaben des Lebendigen.

 

gelassen


Sichtbar sichtbar sichtbar. Beim Zeus! Ja doch!
Innerlich kann es lange ziemlich gelassen zugehen. Schließlich haben wir (welches „Wir“ auch immer) viel gelernt und die meisten von uns hatten genug zu essen und hatten Bettwäsche und Kissen und vieles mehr. Auch als in Indien die Zeit kam, wo mein persönlicher Besitz minimal war, fühlte ich mich reich. Reich an Möglichkeiten, die dieser Planet uns gibt, das kann man nicht leugnen. Wir müssen aber zugeben, dass wir für Richtungen verantwortlich sind. Inmitten dieses scheinbaren Kontinuums höre ich auf einmal einen Gong. Auch dieser dunkle Ton hat eine Zeitlang gebraucht und anzukommen, um seine Aufgabe zu erledigen als mein ganz persönlicherAufweckdienst. Und ja!, ich habe verstanden, dass ich mich (jenseits von Datum und Kalender) in einem neuen Zeitalter befinde. Das altbekannte „Das war doch schon immer so“ hat sich erledigt, denn es war noch nie so wie jetzt, dass einer Technik die Vollmacht über die menschliche Intelligenz gegeben wird. Alles freiwillig und durchaus preiswert finden wir diese ganze Ausrüstung, die es braucht, um auf jeden Fall  dem technischen Fortschritt nicht hinterher zu hinken. Wenn also ein Großteil der Menschheit spannungsgeladen nach vorne eilt, wo künstliche Intelligenz ihre Netze auswirft und ihre Picknicks königlich gestaltet, ganz so, als wäre es die natürliche Frucht oder die ersetzbaren Körperteile das eigentliche Wunderwerk (was es a u c h  ist), dann, ja dann. Dann geht’s weiter.  Als ich in einem Früher meine Leidenschaft für (gute!) Science Fiction Lektüre pflegte, sowie von „Next Generation“ einiges lernte, konnte ich dennoch nicht ahnen, wie nah wir an diese Visionen von Gene Roddenberry kommen würden. Inzwischen wissen wir auch, dass es auf der Erde immer Aliens gegeben hat, da muss man nicht von einem anderen Planeten kommen. Doch was jetzt kommt, das ist tatsächlich gefährlich, die Frage ist nur: wo ist unser Gegengewicht. Vielleicht liegt es ja in der Gelassenheit, mit der wir dem Ganzen begegnen. Im Staub des Labyrinthes liegt immer noch der uralte Faden, gehalten von zeitloser Intelligenz. Dem kann man vertrauen.

 

wie von selbst (?)

*

Das ist schon beeindruckend: 30 000 Bürger:innen, die sich in einer Stadt bei reichlich Schnee und Glättegefahr aufgemacht haben, um gegen eine bekanntlich in der Welt immer lauter donnernde und allerseits grassierende Dummheitswelle  demonstrierend zu wehren. Die von ihren Verursachern als solche natürlich nicht gesehen wird, aber langsam an Fahrt gewinnt. Sodass Grenzgängerinnen wie ich sich ruhig fragen können, warum ich zur Abwechslung mal nicht auch an einer Demo teilnehmen könntesolltemüsste und zumindest klar wird, dass wir, die in diesem Falle Vielen, unbedingt sichtbar werden. Ich bedanke mich in Richtung sich Aufmachender. Wenn ich mich nun nicht aufstehend, die Winterschuhe überstülpend und zielstrebend hinaus auf die Strasse strebend erlebe, dann heißt das andrerseits nicht, dass ich nicht beteiligt bin, wobei Supervisionen bei sich selbst immer erwünscht sind. Und abgeshen davon, dass ich die Öffnung zur Straße offen halte, bleibe ich erst einmal bei der Klärung, wie ich das alles sehe, obwohl ich zugeben muss, dass ich die Dringlichkeit der demonstrierenden Haltung durchaus wahrnehme. Irgendwo sagte jemand:  „Reden ist Silber, Handeln ist Gold“, das fand ich eine zeitgemäße Veränderung, an die wir alle gebunden sind. Wie und wodurch handeln, wenn klar wird, dass der übliche Polit-Zirkus entgleist ist, einfach so, aus dunklen Nebengassen mit braunem Schlamm behaftet, von dem wir wohl wussten, aber nicht, dass es in unsere Richtungen fließt. Vielleicht ist es Zeit, der Regierung nicht immer alles zuzumuten, sondern sie eher zu unterstützen in ihren Bemühungen. Denn es sind keine Götter, aber wir sind auch keine Götter oder (nur) meditierende Geistwesen, sondern wir können uns selbst die wesentlichen und aus dem Uralt heraus immer noch standhaltenden Fragen neu stellen wie z.B. was für ein Mensch ich denn selbst bin, und kann ich die Grübelblase noch ein wenig dehnen , vielleicht gar, bis sie platzt und angemessene Handlung sich einstellt wie von selbst. (?)

 

* Bild: Henrike Robert

gerne


Ram, einen Vogel (-Freund) beweinend
Dieses schöne, kitschtriefende Bild (Ausschnitt) des Gottes Ram habe ich beim Durchforsten meiner Indien-Kiste gefunden. Vielleicht hat es mich in dieses Herumstöbern gezogen, weil ich außer den Corona Jahren zum ersten Mal meinen Winter nicht in Indien verbringe. Mein Bedauern, dort nicht mehr zu sein, wird jedoch nicht zu einer Jeremiade führen, weil ich reichlich Gelegenheit hatte, mich an der höchst erfrischenden Quelle indischen Denkens zu erfreuen. Jetzt, als Global Player, wird sich Indien kraft seiner hohen IT-Intelligenz in die Geister drängen. Erstaunt wischt sich der sogenannte Normalbürger die welterschöpften Augen, und denkt an all das, was ihm als Hinduismus über Medien serviert wurde, was er oder sie, also was sie gewohnt sind zu glauben, und es stimmt ja auch immer ein bisschen was am Glauben, und manchmal ist Glauben gar besser als Viertelwissen. Aber in Indien habe ich gelernt, was gemeint ist mit Menschlichkeit. das hat mich doch sehr geprägt. Menschlichkeit entsteht aus der Art und Weise des Umgangs mit Menschen. So habe ich keinen Inder einen Bettler liebevoll betrachten sehen, aber sie geben alle Geld, denn das ist, was der Bettler braucht. Jeder Inder kennt so viel Not, dass er früh im Leben weiß, dass er nichts machen kann außer immer wieder irgendwo irgendwem was geben. 10 Prozent des Gehalts, das ist üblich. Dieses Thema kocht allerortens hoch, weil unsere Gehirne sich bemüßigt fühlen, Menschlichkeit neu zu definieren, da eine schleichende Entmenschlichung im Gange ist, die ein Gegensteuern hervorruft. In meiner oben erwähnten Kiste habe ich viel Weisheit auf Blättern gefunden, die indische Philosophen von sich gegeben haben. Und immer wieder hätte ein einziger, zutiefst ernstgenommener Satz gereicht, um einen wahren Menschen aus einem zu machen. Aber all diese vielen Sätze sind wie ein Windhauch durch uns durchgegangen, und ja, einiges haben sie auch bewirkt. Wir leben, nicht wahr, in himmlischen Zeiten, in denen Weisheit auf allen Kanälen verfügbar ist, warum dann die pubertären Entgleisungen zwischen Rechtem und Schlechtem. Bei den Göttern in Indien war es auch lange berauschend, man wollte das ja: diese Eleganz der Erotik mit ihrem Kanal ins Zeit-und Todlose. Dann ging auch das vorüber. Vielleicht muss man gedanklich ein paar Akte an das epische Drama anhängen: damit alle Agenten des Spiels ihren Einsatz geben können. Denn es geht doch ums Geben, oder? Wenn man nichts hat als sich selbst zu geben, das wird auch gern erlebt.

überall


Überall Augen
Wenn einen Augen aus einem Zweigwerk oder aus einem Wolkengebilde anschauen, kann das auch eine sehr tiefgreifende Wirkung haben, aber man weiß, dass dahinter kein rotierendes Gehirn liegt. Vielleicht ist das  der Reiz, den die Instanz „Gott“ für viele so attraktiv macht, eben, dass man sich vorstellen darf, kann und in manchen Religionen auch muss, dass da ein sehendes Auge auf einem ruht, günstigerweise wohlwollend, aber auch Maß nehmend und abwägend, ob derdiedas Jeweilige geeignet ist zu höheren oder tieferen Entwicklungen. Ich persönlich ziehe so ein Wolkenauge vor, denn es zieht vorüber und hat ganz unabsichtlich etwas gegeben, also mir gegeben, die auch noch nicht ganz frei ist vom Gernewahrgenommenwerden. In Indien hat mich immer verblüfft, dass so viele Gesuchte (meist aus kriminellen Gründen) gesucht und dann tatsächlich gefunden werden, dabei war es einfach zu verstehen mit etwas Übung im kulturellen Grübeln: nicht nur herrschen im unermesslichen indischen Chaos ziemlich hohe Ordnungen, aber vor allem gibt es, oder soll ich „gab“ sagen, sehr viele Menschen, die vor allem sitzen und schauen, der Tag also gefüllt mit Sitzen und Schauen, und im Verkehr ebenfalls sehr viel professionelles Schauen, denn immer ist es lebensgefährlich, was man da macht. Man muss schauen, wie es läuft, damit man überlebt. Nun muss ich an diesem Punkt natürlich auch bemerken, dass die digitale Großrevolution auch in Indien zugeschlagen hat. Man sieht Milliarden von Augenpaaren auf aalglatte Bildflächen starren, eben wie wir alle unsere Augen abnutzen an dieser gefühlsfreien Fläche, und klar bleibt da einiges zurück (man weiß noch nicht, wieviel) und verblasst, und man wusste gar nicht, dass man es einst vielleicht hatte: einen eigenen, klaren Blick auf das Ganze. Denn vieles muss ja ein totales Mysterium bleiben, zum Beispiel wie die Hälfte von Amerika Donald Trump sieht, sodass die Intelligenz, aufs Auge vertrauend, eine Kränkung erfährt und sich zurückziehen möchte, noch hinter die Pupille. Am besten kurz schweigen, den Sehwerkzeugen wohlverdiente Ruhe schenken, und danken, wenn sich der Blick wieder löst vom Überflüssigen.

Schnee von heute

Heute hatte ich wieder einmal Gelegenheit, die Eigendynamik des Gehirns zu bewundern, oder mit welchen Worten auch immer man diesen Vorgang bezeichnen mag. Beim intensiven Blick auf die Schneegebilde also bewegten sich aus meinen Archiven Zeilen auf mich zu, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass sie irgendwo in mir existieren…“Home is, where I live inside, white powdered streams…home was once an empty vacuum, that’s filled now with my silent dreams… Offensichtlich genug war der Auslöser der Erinnerung das „Weißgepuderte“, während es im Lied etwas ganz anderes meinte, was damals auch „Schnee“ genannt wurde. Aber noch erstaunlicher fand ich, dass die Zeilen gemäß meines Kontextes schon umgewandelt ankamen, also als Huldigung der Schnee-Schönheit, die den Zauber der Märchen hervorrufen kann, während es im ursprünglichen Text um einsames Schreien in einem seelischen Vacuum ging, es also statt „dreams“ um „screams“ ging. Gerne höre ich, wie sich weiterhin gut trainierte Gehirne auf allen Ebenen des Denkens, wo Lebendigkeit und Kreativität noch erwünscht, möglich oder gar selbst-verständlich sind, wie sie sich also einsetzen mit Leidenschaften, die nie verblühen, um die rostig gewordenen Erkenntnisse über das (scheinbar) Wesentliche neu zu erforschen, und warum? Weil da kein Ende abzusehen ist. Das sogenannte Neugedachte zieht schon oft genug den Karren aus einem festgefahrenen Denkkonstrukt, aber wird nun gewusst, wo Bewusstsein sich aufhält (?), und könnte das als heilig gepriesene Innen nicht auch eine Täuschung sein, wenn auch nur vorübergehend. Denn die bereits stattfindende Bewegung (nämlich, dass wir automatisch bewegt werden) sorgt ständig für eine Wandlung, die wir als Einzelne im Ganzen niemals erfassen können. Und was ich mit den paar Zeilen erlebt habe, die überraschend zu mir herkamen: das ist genau, was ein Roboter (erklärte mir vor vielen Jahren einmal ein CIA-Agent) niemals können wird, denn die erforderliche Präzision des technischen Vorgangs kann den freien Aufenthalt im Nu niemals erreichen. Es kann immer komplexer und vor allem komplizierter und aufwendiger werden, aber das meinen wir nicht, wenn wir von „Anwesenheit“ reden, also in der Lage zu sein, aufmerksam und präzise durch das Ungewisse zu navigieren.

aufgehoben


Unsichtbar Tuende
Aus dem Wesen des Menschenkerns heraus gibt es ja uns allen bekannte Klagen wie: nicht gehört oder gefühlt oder gesehen worden zu sein oder nirgendwo aufgenommen und eingegliedert zu werden. Doch der Kreis unseres Sichtbarwerdens ist eh klein, fast immer geht es um Papa und Mama und dass sie es offensichtlich oft nicht besser hingekriegt haben, sonst hätten sie’s ja getan. Insofern kann wahrscheinlich auch bei Instagram usw. einiges an Heilung geschehen, bevor es umkippt in Krankheit. Krank kann auch machen, was sich hartnäckig als „normal“ deklariert, zum Beispiel, dass Deutschland einer der größten Waffenlieferer der Welt ist, oder dass die Grünen, begleitet von unserem Verständnis. umschwenken müssen, wo sie gar nicht hinschwenken dürften, sollte ihr Blick in den Spiegel weiterhin vertrauenseinflößend sein. Wenn man nicht mehr zurück kann, das ist dann oft schon zu spät. Aber zu spät für was? Für naives Weitergrübeln darüber, wie es sein kann, dass es so vielen Männern in Kriegen immer noch wie selbstverständlich vorkommt, Vergewaltigung als Waffe einzusetzen, und wenn dann genug Leben für immer zerstört sind, sie zurückweichen in die Gesellschaften und die Gesichtslosigkeit. Sokrates wusste, dass dunkle Gestalten in uns lungern, aber dass es an uns liegt, ihnen kein Gewicht und keinen Ausdruck zu geben, weil die friedliebenden Strömungen in uns sonst gefährdet sind.  Irgendwann, auf der trostlosen Seite der Menschheitsgeschichtenerzählung, kommt es zu einem Stau. Das viele Erleben, das möglich gemacht wurde, hat eine Verdauungsnotlage erreicht. Vorstoß der Nahrungsergänzungsmittel. Globales Leiden an Aussichts-und Wirkungslosigkeit. Da! Auf einmal ein Ton, der ruft uns zu uns selbst zurück. Klarsicht ist hier nicht verboten, Klartext erlaubt und erwünscht. Da haben wir Glück (ja, das kann man Glück nennen) und können froh sein, wenn in dieser Schweigsamkeit Menschen uns wohlgesinnt sind, wenn lebendige Lichter brennen und die Liebe aufgehoben ist vom Staub ihrer Knechtschaft.

peace

In der „Zeit“ stand ein Artikel (von Peter Neumann) über Immanuel Kant und seinen unermüdlichen Einsatz für  Weltfrieden. Der Satz des Artikelautors, dass „die friedlichste Ära der Menschheit vorbei ist“, blieb bei mir hängen. Ich gehöre zu den denkbar dankbarsten Huldigerinnen des Friedens und habe nicht nur in den Sixties unzählige Male die gespreizten Finger erhoben und auf Weltbühnen mit dem Living Theater darum gerungen, nicht nur zu verstehen, sondern auch zu vermitteln, wie und wodurch „peace“ denn tatsächlich zustande kommen kann oder könnte, und als Truppe haben wir zwar dafür gekämpft, aber eben das Wort „kämpfen“ sagt schon alles. Die Zeit war geeignet für wilde Durchbrüche, die zwar reflektiert wurden, aber doch eher so intensiv gelebt, dass die, die nicht bei den neuen Strömen zumindest anwesend waren, auch später nicht wirklich darüber berichten konnten. Natürlich gibt es immer Überlebende, und so bin ich eine Überlebende des aktiven Friedensprozesses. Und nun ist die (auch von Unheimlichem bevölkerte) Friedenszeit auf einmal zu Ende, und neue Kriege bewegen sich in Hautnähe. Doch „sapere aude“ ist immer noch hochaktuell, denn wir (wer immer das ist) hatten die Freiheit und den Mut, uns unseres Verstandes zu bedienen, und leben nun mit dem Resultat unserer jeweiligen Entscheidungen. Wir haben gesehen, dass der große Gedankenbrei der Weltgemeinschaft seine eigenen Rhythmen und Gesetze und Rezepte hervorbringt, und das Ganze drängt sich durch das Sieb des Aufnehmbaren. Und was da durchkommt, ist nie als Ganzes erkennbar, weil es das Lebendige selbst ist, das es zum Durchsetzen drängt. Wenn einmal etwas sich angemeldet hat, will es nicht gleich wieder vertrieben werden. Und nicht alles, was durchkommt, ist friedensbereit, Und wie hoch ist sie überhaupt, diese Friedensbereitschaft. Und wo ist dieser tiefe Friedenswille (auch in Wohn-und Schlafzimmern) zu finden? Oder muss man ihn im Labyrinth der Hölle suchen gehen?

 

klären

Wie Sandkörner an den Meeren, also unzählbar, sind die Worte und Sätze, die in der menschengemachten Welt zur Verfügung stehen. Ja, sie sind da, aber der Gedanke führt uns nicht in die Einfachheit, sondern in die Komplexitäten und Bewältigungen, mit denen jeder Tag aufwartet. Jeder Tag aufs Neue, ganz im scheinbaren Kontrast zu seinen Wiederholungsmustern. Wann sagt mir ein Wort etwas, wann sind mir die Grübeleien der „Anderen“ (ich habe mich entschieden, das Wort groß zu schreiben), zu schwer oder stimmen mich hellhörig, oder berühren sie gar etwas in mir, das ich vorher nicht kannte (man sieht, wie sich im Korridor der Archive eine Tür öffnet). Aber welche Gedanken kommen durch bis zu den Herzgefilden, oder lagern an inneren Bäumen mit ihrem poetischen Aufruhr, und rufen so leise mit ihrer ureigenen Stimme: Du kannst/darfst/musst dein Leben ändern. Denn trifft es den Kern, dann weiß man selbst, dass einem der Atem einen Windhauch geschenkt hat. Oft war ich überzeugt, dass ein einziger, trefflicher Satz genügt, um nicht zu erstarren, und manche begleiten einen ja auch die ganze Wanderung entlang, und sicherlich helfen sie einem noch über die Todesschwelle hinweg, und selbst darüber hinaus gibt es Richtlinien. Und wer weiß, ob unser Hier mit den Klärungstexten nicht nur die Eingangshalle ist zur Menschwerdung. Es ist auch klar, dass da, wo das Wort schweigt, andere Schleusen sich öffnen, aber vor dem Einlass in die Felder des Schweigens muss die Technik der Schleusen verstanden werden. Daher bewegt sich um das Wörtliche oft ein Licht, in dem man ein Bad nehmen kann.

 

feeling good

Gehört in dem neuen Film von Wim Wenders „Perfect days“

wirbeln

  *

Was mir an diesem Jahresumschwung reizvoll erscheint, ist, dass mir nicht nur der Blick über das globale Geschehen den Gedanken einflößt, dass neue Ideen dringend gebraucht werden, um eingefahrene Denkstrukturen auflockern zu helfen, sondern ich spüre in mir selbst einen Impuls, der mir ermöglicht, mein inneres System zu öffnen und den frischen Wind der Zeit durchziehen zu lassen. Ja, was könnte nun der frische Wind sein, der hier durchzieht. Will ich im Nichts ein großes Schweigen bauen, weil Sprechen das Dickicht der Sprache kaum mehr bewältigen und durchdringen kann, oder will ich weiterhin nach Anregungen in mir fahnden, die trotz des  mühseligen Trotzquam noch einen Raum der Gelassenheit eröffnen können. Oder besser ein großzügiges Raumquartier kann es sein, in dem einerseits gedacht werden kann, dass das ganze Leben auf dem Planeten tatsächlich ein Spiel ist, oder eine tragische Komödie, oder eine komische Tragik beinhaltet, was mich andrerseits nicht davon abhalten sollte, eine gewisse ruhige Leidenschaft für meinen Kompass zu entwickeln. Denn da, wo mein eigener Nachen sich auf den Flüssen und Meeren bewegt, da will ich schon, dass die Reise meinem eigenen Wesen entspricht, was wiederum Kontakt braucht mit dem Lebendigen. Manchmal fließen mir dann  die indischen Sätze zu, deren Logik sich nicht unbedingt leicht enthüllt. Was heißt das nun z.B. zu sterben, bevor man stirbt. Es kann bedeuten, dass zuerst das Ich einigermaßen vertraut gemacht werden muss, bevor es in einem Irgendwann auf einmal im Weg stehen kann. Mit den Wünschen, mit den Gedanken, mit den Klamotten, mit den Mitmenschen, mit den Reisen, mit den Medien, mit den Gewohnheiten usw. Oder überhaupt mal schauen, wer im Nichts auf dem Stuhl sitzt. Möge ein frischer, wilder Wind uns alle durchwirbeln, und nicht (nur) wegen den Katastrophen, sondern wegen uns selbst und den kostbaren Stunden, die (noch) zur Verfügung stehen.

rätseln

*
Was ist denn jetzt?
Trotz ihrer großen Schlichtheit kann die Frage (was ist denn jetzt?) zu einem Trittbrett gemacht werden. Hinaus also dehnt sich der Geist ins räumlich Unbegrenzte, das geht ja schnell, man kann auch den Himmel als Stütze nehmen, also hinausdehnen und hinauslehnen, soweit es geht. Irgendwann muss man sich selbst zurückholen, sonst läuft man Gefahr, einem Wurmloch zum Opfer zu fallen. Ein greiser Wissenschaftler steht grübelnd am Turmfenster. Pflichtmäßig einsam, wie alle anderen vor und alle nach ihm, so dringt sein stechender Blick ins Nichts, Resultat des Erworbenen. Oder eine der knallwachen Frauen, wie sie immer häufiger im Weltgetriebe auftauchen und Wirkung erzielen, steht an einem anderen Fenster des Alls und denkt (vielleicht): Ja! Es ist, wie es ist. Und genau deswegen kann es niemals verstanden werden. Man könnte es auch das offene Geheimnis an sich nennen, innerhalb dessen sich das eigene Schicksal gebiert. Wir rätseln, und die Kunst reicht uns die Hand.

 

*Bild: C.M.Brinker

schöpfen

*

Das konnte sie (die Verstorbene) wirklich besonders gut: kleine surreale Welten erschaffen.  Ein Frauenfigürchen ohne Kopf steht gegen die Wand, hinter ihr die Frage: „Wer bin ich wirklich?“. Ein Körper liegt in einem trockenen Wasserbecken. Auf dem am Zweig befestigten Zetteln stehen Sätze wie: „Das sollte ich tun“ & „Das könnte ich tun“ & „Das sollte ich sein“ & „Das wollte ich sein“, die alle sehr gut zum Jahresanfang passen im Sinn von all dem, was durch die Köpfe geht, wenn die Kurve gekratzt ist und der Teppich der Zeit sich nach vorne ausrollt. Was er natürlich sowieso tut, denn auch wenn es keine Menschen mehr gäbe, würden Tod und Leben Schulter an Schulter weiterreisen. Auch Bäume und Tiere sterben, auch Sterne. Wir Erdlinge brauchen Strukturen und Ordnungen und Rituale, damit der schwer zu ergründende Wahnsinn des Daseins mit Sinn befrachtet werden kann, den es ja an sich gar nicht geben muss, da der Sinn nicht in den Dingen liegt, sondern wir ihn hineinlegen. Das absolut Ungewisse, das den ganzen Vorgang umgibt, kann furchteinflößend sein. So werden Normen gebastelt, an die sich Menschen dann halten müssen und wollen und sollen.  Das zum surrealen Blick befähigte Auge liebt es, die als normal erkennbaren Zusammenhänge auseinander zu nehmen und sie ganz neu darzustellen. Das Beflügelte spielt hier eine größere Rolle. Daraus wächst ein Mut, der die Entgrenzung befähigt, die überhaupt nur zu fremden Gefilden führen kann. Gefährlich ist es auch hier. Schnell kann der Held:innentod kommen, wenn das Geschöpfte entweder dem eigenen Anspruch oder dem Anspruch der Schöpfungsgesetze nicht zu genügen scheint. Aber was scheint vor wem und an welche Gesetze ist es dennoch gebunden?

 

*Bild: Claudia M.Brinker
Mit zwei Ausschnitten

 

 

hier


Gehäuse
Es gibt Sätze in allen Bereichen des kollektiven Wissens, die sich durchgesetzt haben, vermutlich auf der Basis eigener Erfahrungen oder der verschiedenen Formen des Einleuchtens. So kann es einem einleuchten, wenn man den Satz „Be here now“ hört, dass dieser Aufruf seine Logik hat. Denn wo sollte man sonst sein. Warum aber dann der Aufruf. Es ist die schlichte, einfach zu erfassende Fassade des Satzes, die automatisch seine Komplexität hervorruift. So verbringt zum Beispiel Eckhart Tolle die Abende seines Lebens mit der Erläuterung dieser Worte, und man kann ihn, wenn man will, wie nebenher als einen Menschen sehen, der da ist. Aber wo ist er mehr da als die Anderen, oder wissen die vielen Anderen einfach noch nicht, dass sie  (nicht) da sind, also nicht anwesend genug, um für sich selbst in der Wahrnehmung des Daseienden einen Unterschied zu machen. Welcher Dialog findet also statt zwischen mir und der Welt, denn wir sind ja alle ein Ich in der Welt. Hier zu sein heißt sich zurechtzufinden im Wirrwar des Scheinbaren. Denn wieviel Wirklichkeitsgehalt hat es denn, das ganze Schauspiel, das uns bewusst oder unbewusst ständig beschäftigt. Wohl wissend, dass wir nur intergalaktische Traveller sind, kurz mal durchgeschwebt und bald wieder außer Sicht. Unterwegs so viel wie möglich aufgeschnappt von dem, was unseres Weges kommt, um dann, wenn unermüdlich bei der Sache, eines Tages zu merken, dass doch untrügliche Gesetze am Werke sind, deren Klarheit leuchtet wie das Untrügliche selbst. Und da der einzige Ort, an dem man sich wandeln kann, der Nu ist, ist es förderlich, sich da auch aufzuhalten. (Auch wenn man dafür etwas üben muss).

handhaben

In den vielen Jahren, die ich im Winter in Indien verbracht habe, war die unheimlichste Zeit immer d i e zwischen Weihnachten und Neujahr. Es dauerte Jahre, bis die Inder durch die zunehmende Zahl von Fremden einen eigenen Zugang zu den Festlichkeiten gefunden hatten. Auch bei modernen Frauen fanden die roten Nikolausmützen regen Anklang, und an Neujahr brach die Leidenschaft für Feuerwerke so richtig durch, bis bald bei keinem Anlass mehr ein Lichtorgasmus fehlen durfte, sehr zum Leidwesen der Tiere. Auch ich fühlte mich ins Innere getrieben und fand mich in regelmäßigen Neujahrs- Schweige-Rückzügen wieder, die mich tatsächlich frisch und lebensfroh wieder entließen. Dabei findet das hinduistische Neujahr erst später statt beim Drachenfest Makar Sankranti, wobei Silvester im November ist (an Diwali). Aber man muss ja nicht kleinlich sein und alles verstehen wollen, und außerdem befinden wir uns nach dem indischen Vikram Kalender bereits im Jahre 2081, was langsam aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindet, da sich der englische Kalender eingenistet und durchgesetzt hat, was nicht bedeutet, dass Jesus als geborenes Kind mit hohem Schicksal sehr präsent ist. Jedenfalls nicht in Rajasthan, wo ich gelebt habe, und wo Brahmanenclans das Ganze im Griff haben. Nun hat uns ja die Corona-Explosion an die eigenen Wurzeln zurückgebracht, und dort, beziehungsweise h i e r, genieße ich nun die segensreiche Hängematte der Zeit, vom Lichterfest bis in die neue Zahl hinein als eine Möglichkeit, alles Erlebte mal wirken zu lassen. Manches davon sinkt gelöst hinunter und verteilt sich auf die bereitstehenden Leerräume, anderes zeigt sich auf den sichtbaren Flächen des Alltags und muss aufgenommen und eingeladen werden in den Seinsbereich. Außerdem wissen wir sehr wohl, dass da draußen Kriege toben, die keinen Halt auf Straßen und in Häusern machen. Daher weist auch alles scheinbar Neue auf uns selbst hin: als welcher Mensch betrete ich das Seil des Jahres 2024, und welcher Grad an Wachheit steht mir zur Verfügung, um das vollkommen Ungewisse weiterhin angemessen zu handhaben. (?)

von Lilly


Buddha auf Keks
Am Vormittag besuchte uns eine junge Frau mit ihrer 2-jährigen Tochter Lilly. Kaum war Lilly im Raum, spähte sie aus nach Möglichkeiten für ein persönliches Unterhaltungsprogramm. Es dauerte nicht lange, da fiel ihr der kleine Buddha ins Auge, der, von keinerlei Bedeutsamkeit belastet, schon lange bei uns einen Fensterplatz hat. Als Lilly dabei war, den Heiligen vom Sims zu nehmen, versicherte sich ihre Mutter schnell bei uns wegen der möglichen Reaktion, die es nicht gab, kramte aber in einem Rucksack nach den mitgebrachten Spielzeugen. Aus dem Tiefdunkel mütterlicher Geheimnisse tauchten zwei Penguine in der genauen Größe des Buddha auf, was Lilly sofort erkannte und links und rechts vom Erleuchteten einen Penguin plazierte und „Freunde“ sagte. Es kann einen nun auf einer transzendenten Ebene berühren, dass der Buddha just in diesem Nu, und das kurz vor dem Jahresumschwung, von einem Kind zwei Pinguine  zur Begleitung bekommen hat, wer könnte dem widerstehen. Aber nicht genug. Sie setzte den Heiligen dann zielsicher auf einen Mürbeteigkeks, was seinem (dem Buddha seinem) Ruf ja nicht schadet, nein, eher etwas in einem zum Schwingen bringt. Mir fiel der berühmte Satz aus buddhistischen Kreisen ein „Wenn du den Buddha triffst, töte ihn“*, was natürlich bewusst provokativ gemeint sein muss, sodass es zum Nachgrübeln geeignet ist oder sein kann. Das gab mir wiederum die Chance, meinen eigenen Satz zu bilden, und war mit „Wenn dir der Buddha auf den Keks geht, lass ihn einfach in Ruhe“ ganz zufrieden. Man bedenke: das alles wird es nur ein einziges Mal geben und ist schon jetzt  gesponnener Schicksalsfaden im Labyrinth der Ich-Erzählungen.
*googeln

kehren


nackt
Auch wenn es Sprüche gibt wie „Der Welt den Rücken kehren“, und man sich an seiner doppelten Deutung erfreut, also das Dienstangebot an die Welt mit dem Nimbus 2024 zu tätigen, zumindest im Umfeld, so sitzt und steht man doch immer im Mittendrin des Geschehens. Egal, von welcher Seite aus man es betrachtet. Vor allem nachts sind sie zu spüren, die absolut unergründlichen Weiten der intergalaktischen Prozesse, an denen wir staubkornähnlich partizipieren. Und dennoch werden wir ununterbrochen angefragt und mitgenommen in diese Turbulenzen, die uns wiederum zu Entscheidungen nötigen, bewusst oder unbewusst. Daher lieber bewusst, um den Stürmen und den Totenstillen etwas entgegensetzen zu können, wenn mit d e n Instrumenten ein angenehmer Ton gewonnen werden kann, also wenn die Instrumente gestimmt sind und darauf bedacht, Klarton oder Klartext hervorzubringen. Durch alternative Umsetzung der Schwangerschaftsschöpfung und der daraus hervorgehenden Geburt, immer als Mensch, ob es nun das Kind ist oder ein anderes Erzeugnis der Hervorbringung. Für  jeden Schöpfungsakt gibt es Kriterien und Bedingungen, aber Bedeutung ist nicht gesichert, man muss oder besser kann den Deutungen eine Richtung geben. Irgendwann hängt der Spiegel an der Innenwand des Controll Rooms. Hier also sitzt, gleichzeitig gefestigt und beweglich, die Bewusstseinspyramide. Wissen setzt sich um in Existenzerfahrung. Hier tritt mit Eleganz das Spielerische aufs Feld. Wie ein leiser Wind treibt es das Eingefahrene vor sich her und vor sich hin, bis es sich einlässt auf sich selbst. Präzise im Nu, in dem der weiße und der schwarze Faden sich nicht mehr unterscheiden, beginnt der Muezzin sein Lied, oder die Gesänge des Silenus werden noch einmal hörbar, oder so mancher wird angezogen von den Gesängen des Maldoror, einem Schleusenmeister. Wir wissen es nicht, aber wir hören den Gong und sind beschäftigt mit Lauschen.

teilnehmen


Wasserglas
Das Erstaunliche an diesem Welt-Konstrukt, an dem wir alle teilnehmen und an das wir in unserer Lebenszeit gebunden sind, ist doch, dass wir uns auf gemeinsame Sehweisen einigen, ohne auf unsere ganz persönliche Wahrnehmung verzichten zu müssen. Die Dinge, die uns umgeben, sind durchgedeutet und in den Dschungel der Begriffe eingeordnet, sodass es zu beweglichen Verständigungen kommen kann, oder aber zum Scheitern, wenn sich Verbindungen als inkompatibel erweisen. Aber auch Scheitern hängt von der Bereitschaft ab, sich mit der Materie der Problematik zu befassen und ihr genügend Raum zu geben. Raumgeben auch dem Buchlesen oder dem Einräumen des Geschirrs in die Spülmaschine, und dann wieder heraus. Diese Notwendigkeiten erscheinen ja am laufenden Band, oder kommen auch ohne Not, zum Beispiel als Feste oder als Gäste, oder als Bedürfnis, in den inneren, den neu entstandenen Räumlichkeiten, einfach oder endlich mal nach der Architektur der Leere Ausschau zu halten: ob sie nicht schon überall bereits Ausdruck gefunden hat, die Leere also sich selbst besiedelt oder besiedelt wurde, bis diese Sucht die Süchtigen erschreckt und tote Tiere und tote Kinder einen anstarren. So, als hätte die Wand selbst sich verschoben, und man hätte nun Zugang zur Klagemauer. Oder zu den Gesängen der Freude, und ja! Töchter und Söhne der Weltgestaltung, tretet hervor und bespielt die letzte der Veden, nämlich die, in der nicht mehr um Worte gerungen wird, sondern sie, die Welt, als Bewusstsein von und zu sich selbst erwacht.

zukommen

In Indien hat mir mal ein Brahmane erzählt, dass während der englischen Besatzung Indiens durch die Engländer in vielen Dörfern  die Menschen gar nicht wussten, dass Engländer auf dem Spielfeld waren. Es war das Leben vor dem In-die-Ferne-sehen. Das Telefon war teuer und meist unerreichbar. Heute ist so viel erreichbare Nähe von allem möglich, sodass man sich fragen muss, welche Nähe zu etwas Erreichbaren man tatsächlich will. Oder man ist den schlammigen Massen des Meinungsstromes ausgeliefert und hält es versehentlich für Bildung, auch wenn Bildung durchaus Comedy affin ist. Wenn es schlimmstenfalls dazu kommt, dass Humor als vollkommen unangenmessen wahrgenommen wird, dann ist es einerseits Zeit für Rückblenden, andererseits aber vor allem für Vorstöße in die eigene Verhaltenskultur. Die Frage, welch ein Mensch ich sein möchte, um der Verdichtung dunkler Kräfte im dritten Akt des Dramas gewachsen zu sein, ist in die Mitte der Wohnzimmer gedrungen. Und die, die ihre Wohnungen verlassen mussten und weiterhin müssen, die sind auf einer anderen Existenzebene unterwegs als wir, die wir noch in unseren Häusern wohnen und genug zu essen und zu trinken haben, ein angenehmes Bett, wohltuende Bettwäsche. Warmes Wasser, Holzscheite. Und doch findet das Unvermeidbare seinen Weg. Wir wenden den Blick nicht ab von dem Ungeheuren, aber wir sind auch geschult und erkennen die Muster der sinnentfremdeten Wiederholungen. Ich selbst hege keinerlei Hoffnung in Verwandlungen jenseits der Vorstellungskraft. Was ich hege, ist die vertrauensvolle Mitarbeit an dem kosmischen wie dem weltlichen Vorgang, denn den Wunsch nach gelingendem Zusammenspiel kann doch jede/r verstehen. Wobei einem (letztendlich) keiner vermitteln kann, wie es geht. Auch das lebendige Kollektiv ist nur ein gebündelter Hinweis auf weiteres, auf uns Zukommendes. (Spieler- und Spielerinnen nehmen ihre Plätze ein).

K.I.


Künstliche Intelligenz
Zwischen der künstlichen Intelligenz und der künstlerischen Intelligenz liegt zuweilen eine Rasierklingenbreite. Ob auch die künstlerische Intelligenz seinen oder ihren Meister mit Haut und Haar verschlingen kann, muss immer wieder mal überprüft werden. In Indien habe ich einmal in einem winzig kleinen Papiergeschäft diese Postkarte (oben im Bild) gefunden und gleich alle davon gekauft, die es noch gab. Ich war fasziniert vom Entwurf dieser Idee, hier aus der Welt der Jain Religion, der (künstlichen) Idee eines vollkommenen Wesens, eine erleuchtete, geistige Schönheit, umhüllt vom Glanz des Bewusstseins, dargestellt als Kobragebilde. Der Kobra sagt man nach, dass sie im Dschungel tanzend einen Stein ausbrütet, den sie auf ihrem eigenen Haupt balanciert. So will auch der Mensch sich selbst ausbrüten und entwickeln. Die Frage ist nur: in welche Richtung. Auf der einen Seite das Jesulein in den Trümmerfeldern des Gazastreifens, wo der kosmische Gong in den Weltohren dröhnt und einige am Grauen der entmenschlichten Geister entlang bitter erwachen, vielleicht auch nach Vorbildern gierend, so wie die, die Kranke geheilt und in den Tempeln herumgewütet haben wegen all dem Missbrauch am Anderen.  Oder einfach still dasaßen unter Bäumen, bis ihnen irgendein Wesentliches als wahr erschien, und auch da gab es Followers und Religionen. Und wird die Idee nicht immer künstlich erzeugt, und ist abhängig von der künstlerischen Durchführung.? Dabei entstehen Maßstäbe, Glaubenssätze, Meisterwerke, Irrfahrten. Aber auch Gefühle, auf tiefliegenden Korridoren herumwandernd, um die Gnade des Menschenmöglichen ringend. Endlich allein, ich meine: ohne die Bürde des Gottes, der den Weg freimacht aus dem Griff der kindlichen Abhängigkeit.

Irwin Keller

Partei ergreifen

Heute ergreife ich Partei.

Ich ergreife Partei für den Frieden.

Einen Frieden,
den ich nicht im Stich lassen werde,
auch nicht, wenn seine Stimme übertönt wird
von Schmerz und Hass,
Verbitterung des Verlustes.

Ich ergreife Partei für den Frieden,
dessen Name kaum ausgesprochen wird
in diesem Krieg ohne Gewinner.

Ich werde den Frieden
in meinen Armen halten
und den Atem meines Körpers mit ihm teilen,
dass nicht der Frieden
der Zahl der Opfer zugerechnet wird.

Ich werde Deeskalation verlangen,
selbst wenn ich nichts so sehr will
wie Vergeltung.
Ich werde das tun
im Dienst am Frieden.

Ich werde roden
im überwuchernden Dickicht
aus Ursache und Wirkung,
damit der Frieden atmen kann,
eine Minute lang,
und sich nach dem Himmel strecken.

Ich werde tun, was ich tun muss,
um dem Frieden das Leben zu retten.
Ich werde durch Tränen hindurchatmen.
Ich werde Überheblichkeit schlucken.
Ich werde mir auf die Zunge beißen.
Ich werde Liebe anbieten,
ohne das Verdient-Haben zu überprüfen.

Deshalb verlangt heute nicht von mir,
mit einer Fahne zu wedeln, wenn es nicht
die Fahne des Friedens ist.
Verlangt nicht von mir, eine Hymne zu singen,
wenn es kein Friedenslied ist.
Verlangt nicht, dass ich Partei ergreife,
wenn nicht für den Frieden.

In der Weihnachtsbrüterei


Weihnachts-Engel
Na ja, „brüten“ ist vielleicht nicht ganz das treffende Wort für mein Herumschauen in die Gefilde der denkenden Welt-Liga, etwa auf die unheilbar der Entgleisung entgegen gehenden Wettkämpfe um Länder und Macht, was einen als Zeugin nicht unbedingt in eine neu angelegte Spur der Geburt eines Wunderkindes transportiert. Denn wir wissen doch jetzt, dass niemand uns unsere Leiden und Schmerzen abnehmen kann, und auch nicht soll und muss. Doch wer könnte dem Charme der vielen Lichterketten entgehen, wenn man mal wie zufällig über die Hügel fährt und sieht, wie viel Mühe sich die Menschen machen, um dem Lichterfest gerecht zu werden, zur Aufhellung der ab 16 Uhr einsetzenden Trübnis. Die wiederum auf die Zustände und Befindlichkeiten in den Innenräumen einwirken und hinweisen, also innen im Haus, und dann eben ganz im Innen. Und ich muss sagen, ich habe auch noch in einem Einst den wahren Santa Claus sehen dürfen. Es schneite, wie es sich gehört, und er kam mit dem Schlitten um die Ecke des Schlosses gefahren, begleitet von Engeln und Zwergen, und aus einem großen Sack kam allerlei heraus, an was ich mich nicht mehr erinnere. Ich weiß also aus Erfahrung, wie wichtig so ein Vorgang für eine Kinderseele sein kann, vielleicht wegen der Einflößung des Guten, das hier transportiert wird von der Geburt eines Einzelnen, dessen Leben und Leiden einen Unterschied machen sollte und vielleicht auch gemacht hat. Nun gibt es bei uns im Haus (ich lasse mal das „zum Glück“ weg) keine Kinder, und so erleichtert auch d a s den Weg zu einem reifen Verständnis, dass es keine überflüssigen Gaben geben muss. Es kann günstigerweise eine gewisse Gelassenheit und angenehmer Duft im Raum vorherrschen. Kraft kann eingesetzt werden für die geistig-räumliche Dehnung. Die Augen können sich im flackernden Licht des Feuers ausruhen von den vielen Strapazen, denen sie ausgesetzt waren. In Indien hatte ich schon vor Jahren mit Erklärungen über x-mas aufgehört. Die roten Mützen fanden regen Anklang und es gab mehr Süßigkeiten als sonst. Ich war dort jahrelang auch um die Weihnachtszeit herum und habe die Gelegenheit genutzt, um mich im Schweigen niederzulassen. So kann man, wenn man kann, genau d a s machen, was einem am meisten zusagt. Ich selbst gedenke, ein Eye auszubrüten, wer sollte mich daran hindern?

Wind


Figur, gespiegelt im Küchenfenster
Es ist schön, in einem Haus zu wohnen, wo, bei aller Hochachtung für das Wort, alles gesagt werden kann in der permanenten Bemühung, die eigene Befindlichkeit mit den Befindlichkeiten anderer Wesen in Einklang zu bringen. Auch ist es sehr still hier in der Gegend, Wald und ein paar Häuser hier und da. Man hört auch keinen Verkehr und keine Kirchenglocken. Manche Gäste hat das beunruhigt. Jetzt, wo ich das mal erzähle, spüre ich das Lächeln der Eremitin in mir auftauchen und sich manifestieren. Was ich auch spüre ist ein Wind, der tobt gerade im Draußen, aber auch in mir. Er fegt das Erlebte in die vorhandene Leere (immer war Leere) und wird im Irgendwo empfangen als das Wasauchimmer. So können sich belastete Augen zurückholen in die Arglosigkeit. Das, was von einem selbst wirklich vorhanden ist, schaut sich um und erlaubt es dem Staunen, sich auszubreiten. Denn wenn man verstanden hat, dass es keine Wiederholungen gibt, und diese Radikalität hat einen nicht umgefegt, dann erlaubt man auf einmal dem stürmischen Schicksal den Vorrang. Um hier geeignete/r Spieler/innen zu sein, dafür braucht man die Praxis.

und weiter…


Gibt es ein Anderssein im Dort,
wo ich nicht bin?
Wenn ein Mensch aus der menschenmöglichen Sichtweite entschwunden ist, kann man froh und dankbar sein, von einem gut gelebten Sterben berichten zu können. Die Urängste werden angerührt, eben dass man all dem, was man erleben konnte und weiterhin erlebt, entgleiten könnte. Denn wir, die jeweils weiterhin Existierenden, sind von Denken und Sein um die wesentlichen Dinge herum nicht befreit, nein. Jeder Tod kann subatomare Explosionen auslösen, denn wo gestorben wird, ergibt sich der Sinn des Erdenlebens, oder er ergibt sich eben nicht. Es gibt jedenfalls Anregung, die vorbeigleitende Zeit aufmerksamer wahrzunehmen, damit zumindest uns selbst klar wird, mit wem (als uns selbst) oder mit was (und wie) wir unterwegs sind. Auch gibt es Spuren im Nicht-Sichtbaren: unbeugsame Geister richten die Skalen aus, es wird hin-und herkontempliert, ausgerichtet, verworfen. Systeme im Ringen um Gerechtigkeit. Gut, wenn im Zuhause Raum ist für Widerspruch, für neu erschaffene Rituale, für Freundschaft, und… (kleine Pause) und für Liebe, ja. Denn ohne Liebe, sehr verehrter Kreis der Freunde, und ohne eure Bereitschaft zum Menschsein, wäre das Ganze eine aberwitzige Tragödie und bar des Wunsches nach Anwesenheit.

Welt

Niemand kann behaupten, oder hat je behaupten können, das ablaufende Script, Leben genannt, in seiner Gesamtheit verstehen zu können. Behaupten schon und in minimalen Ausschnitten auch beweisen. Aber nicht wirklich, da sich Wirklichkeit ständig selbst gebiert und man sie auch ein bisschen verfolgen und nachvollziehen kann. Dennoch spürt man, dass die Intensität des Dramas sich wieder einmal steigert, und man ertappt sich beim Kopfschütteln, von einer Dosis Ohnmacht begleitet. Denn wir, hier als europäisches Wir, sind ja genauso wenig unabhängig von den anderen Ländern, wie wir als Menschen nicht unabhängig sind von unseren Lebensgefährt:innen, die uns befähigen, d i e Menschen zu werden, die wir uns als uns selbst vorstellen. So tauchen im Großraum die wesentlichen Fragen auf, die in Essenz schon immer die großen Fragen waren, nur, dass sie nun in den Zeitungen der Welt erörtert werden. Warum, z.B., gibt es diese weitreichende Neigung auf die rechte Seite, oder „was sind das für Menschen, die Eltern vor den Augen ihrer Kinder verbrennen können“ undsoweiter mit den grausamen Beispielen, da kann das Gehirn leicht eine Sperrzone erfahren. So viel Bewusstsein verfügbar, und so wenig menschliche Anwendung! Wie kann das sein, außer, dass es ist. „Welt“ ist ein Wort, das wir erschaffen haben und dessen Inhalt und Substanz immer wieder neu erschaffen wird von denen, die hier vorübergehend tätig sind, wir also. Wenn man in die günstige Lage kommt, sich selbst dahin navigiert zu haben, wo es keine Wahl mehr gibt, dann kann eine gewisse Entspannung bei gleichzeitiger Wachheit eintreten. Wenn es gelingen sollte, den arglosen Blick zu erhalten, dann muss man sich über die Mühe im Klaren sein, die einem abverlangt wird für das. was wie verloren scheint. Wir Menschen, die von ihrer Sehkraft und Handlungsfähigkeit Vertriebenen.

(un)weit

*
Es gibt diese Durchgänge, bei denen das Gefühl aufkommen kann, als hätte man sich vorläufig aus der Welt zurückgezogen. So, als könnte man sich tatsächlich aus der Welt zurückziehen. Dabei sind wir immer mittendrin, wenn auch im Rahmen unseres Schicksals, dann mal als Blase oder als Subatom, was lediglich schließen lässt auf die Befindlichkeiten, die wir ständig durchwandern. Einerseits im Verhältnis zu der Immensität des Raumes, und dann wieder zutiefst ergriffen vom Menschenwesen, und was es alles an Grandiosem vollbringen kann, vom Gemüsegarten bis hin zur unheimlichen Freiheit des Geistes. Unheimlich, weil die Schatztruhe, einmal entdeckt, angesichts ihrer Großzügigkeit zu fast demütiger Haltung verpflichtet, und nein, nicht in Richtung eines Menschen, sondern in Richtung der unleugbaren Realität des Raumes selbst, dieser Anwesenheit, durch die wir beatmet und zum Prozess des Lebendigen angeregt werden. Der Odem, der Atem, das Om. Und so ist verständlich, dass wir die Neigung haben, Maßstäbe anzulegen, um dem Wahnsinn des Hineingeworfenseins zu entgehen, und uns durch eigene Ordnung und in eigener Dynamik zubewegen auf den Großen Teich: die Atma-Sphäre. Und daher kann ich durchaus bejahen, dass nichts Geistiges verloren gehen kann. Aber dann: die Weite, die Tiefe, die Höhe und ihre Unerschöpflichkeiten!

 

* Bild: Ursula Güdelhöfer

Nu

,
Titel: Taschentuch auf Tablett plus Teeglas
Auch im Danach, falls es ein Danach überhaupt gibt,  bewegen sich die Dinge auf ihre eigene Art und Weise voran. Teilweise kommen sie auf uns zu, dann aber sind wir doch präsent genug, um bei der fortwährenden Sich-selbst-Gestaltung des kosmischen Vorgangs mitgestalten zu wollen und auch zu können. Es bewegt sich überhaupt nur voran, wenn wir beteiligt sind an dem, was direkt spürbar ist: den einzigen Nu, der uns jeweils bewusst zugängig ist. Da kann man oft genug „Be here now“ murmeln, aber was ist das, das Hiersein, der lebendige Atem dessen, was zur freien Verfügung steht und mich darin unterstützt, das mir angemessen Erscheinende auch in die Handlung umsetzen zu können. Im Zusammenspiel mit dem Strom, ja, denn der Strom hat uns gerade das Vorübergehen gelehrt, wo wir sagen „das kann ich nicht fassen“, und klar, können wir*s nicht fassen. Es ist ja nicht zum Fassen da, sondern höchstens zum Erleben, oder einfach so, wie es ist. Und folgt trotzdem den Gesetzen, oder ist das Gesetz an sich, der fließende Strom, der Nu.

nachwehen

Dieses Blatt Papier aus dem Jahre 1997 haben wir neulich gemeinsam wieder entdeckt, ich meine wir und die kürzlich, sehr kürzlich das Zeitliche gesegnet habende. Keine von uns konnte sich daran erinnern, aber man konnte sehen, dass unten ein Raum offen geblieben war, über dem stand „Hier ist Raum für meine Aussage“. Nun war ganz offensichtlich der Moment gekommen für ihre Aussage, die, und das mittendrin im Sterbeprozess, keiner mehr hätte anzweifeln können, denn sie hatte sich auf originelle Weise in die Selbstbestimmung katapultiert. Und wir, gelernte Bezeugerinnen des Außer-Ordentlichen, wussten es zu schätzen, dass sie den Stift nahm und die Aussage manifestierte, was das Blatt zu einem Dokument macht. Es beinhaltet die außerordentliche Nachricht, dass ein Mensch sehr wohl bis kurz vor dem Ende der eigenen Vorstellung noch zur eigenen Substanz zurückkehren kann. Die lag da immer: leer und schön (und noch ruhend in der latenten Bedeutungslosigkeit). Natürlich könnte man fragen: warum nicht früher. Sind (z.B.) Krebs und Tod nicht ein zu hoher Preis? Es ist jedoch auch das nur ein weiterer Weg, und wenn der Preis erkannt und gezahlt wird, öffnen sich durchaus die Schleusen der Zurückhaltung. Das kann gefährlich werden, aber auch aus den Schutzmechanismen befreien, die man brauchte, um am Leben zu bleiben. Der Genuss, bei sich selbst angekommen zu sein, stellt dann die andere Seite des Preises dar: man erlebt sich in relativer Gelassenheit mit den Anderen, da es nichts mehr zu erklären und nichts mehr zu beweisen gibt.

Wirkung

*

Der Zugang zum Gefühlten hängt nicht
vom Labyrinth der Fäden ab. Doch ist es
gut zu spüren, wo in der Dichte
eine Öffnung ist. Die Verstrickungen
gaukeln das Nichtvorhandene vor.
Das Vorhandene aber will erkannt werden.
Nur e s ist da.
Es werde also Zugang zum Vorhandenen,
zum zeitlosen, immerwährenden Strom.
Die Götter sind wild übereinander gestaffelt,
manche unkenntlich gemacht,
alle aus Bilder und Stein.
Die Zeit reißt Lücken in die Photogenität
der Wesen. Ein Ast durchkreuzt den Tempel.
Überall Wirkung von Wirkung.

 

* Bild: Henrike Robert

beiben

*
Der Tod eines anderen Menschen als man selbst ist (auch) deshalb so radikal, weil er einen schlagartig in den Raum des Bleibens versetzt. Nicht alles, was man verstanden hat, beweist sich als leicht in der Umsetzung. Doch während man sich noch in den Furchen des Flüchtigen und des Vergehenden bewegt, entgleitet einem langsam und sachte das Seil des Bootes, und am Ufer richtet man sich auf und überprüft die Kräfte des Rückens. Denn nun kommen die Chöre der Erzähler:innen, alle bewaffnet mit dem Recht der persönlichen Wahrnehmung. Da versetzt man am besten das eigene Erleben in Standby und macht Raum für das Bilderbuch. Kein Leben, das nicht geeignet wäre für standing ovations. Günstig, wer einen Festplattenlöscher im Freundeskreis hat. Zurück auf Werkeinstellung, damit illegale Zugänge vereitelt werden können. Der illegale Zugriff auf das gelebte Sein, daher die testamentarische Notlage im Dienste klarer Verhältnisse. Wo viel angesammelt wurde, muss auf angemessene Verteilung geachtet werden. Manches ist so wertvoll und kommt aus Ebenen, wo niemals gehandelt wird und keine Preise festgelegt werden. Man darf überrascht sein, wenn man vom (konservativ) Erwarteten in sich nichts findet. Es macht einen wahrlich großen Unterschied, ob man spielen muss oder spielen kann. Die fünfte der Veden also wird der geheime Veda genannt. Nicht, weil da noch was gesagt wird, was keine/r vorher wissen konnte oder durfte, sondern da gibt’s kein Gedrucktes mehr, sondern das Existierende an sich drückt sich aus. Deshalb ist das Phänomen des Todes so bedeutsam:  er ist das unbeugsame Geschenk des Realen, oder sagen wir lieber: des Surrealen, an uns, die Weitermacher:innen.

 

* Ausschnitt eines Bildes von Henrike Robert

heilend

*

Ausklang und Einklang
im Herzen. Vieles ergibt sich als Gutes.
So wenig nehmen wie möglich, damit
die Freude an den Erscheinungen keine
Trübnis erfährt  –  und wir nicht
ergriffen werden von ihrer Eigenart.
Die Erde ist Raumschiff.
Sieh!, wie sie leise und sachte durch
innere Weiten steuert. Wind in den
Haaren, Freude im Geist. Wir denken
uns durch das Dickicht des Traumes,
bis wir wach sind und hörfähig.
Ich werde berührt in heilendem
Schauder von dieser mächtigen
Symphonie der Nähe.

 

* Bild: Henrike Robert

Im Danach

*

Aus jedem Vorher und jedem Danach quillt Geschichte.
Man wünscht sich vielleicht ein (dafür begabtes) Schriftstellerherz,
um dem Ganzen gerecht zu werden.  Dem epischen Ausmaß,
der Kernqualität. Dem Nichts und der Leere geweiht,
nur so als Beigabe an die Tage und Nächte, wo Erleben verdaut wird
und zugeordnet, und zum Nachdenken zur Seite gelegt.
Oder doch gleich als Aufgabe an sich genommen, damit die Spuren
des Denkens dem Verhältnis zum Drama entsprechen.
Zum Verständnis der Vorgabe, zur Praxis des zu Erfassenden,
zur Befreiung von diesem und jenem: was man vom eigenen Schicksal
begreift, wodurch auch Handlungsfähigkeit sich einstellt,
beziehungsweise einstellen kann.
Ich, der vom Erleben durchdrungene Mensch, bin dabei, den
neuen Tanzschritt zu üben: die Denkart, das Raumempfinden,
die Choreographie.

 

* Bild: Henrikr Robert