umgehen

Ich weiß nicht, wie lange das her ist, dass ich meine Nachmittage hier zum Großteil als eine angenehme Möglichkeit sah, Begegnungen und Freundschaften zu vertiefen, teils in Familien, teils im Bazaar zusammen einen Chai zu trinken und sich über das Jeweilige auszutauschen. Nun höre ich von so vielen schrecklichen Vorkommnissen, die m.E. den Rahmen sprengen von all dem, was man gerne als „normal“ deklarieren möchte: Menschen machen halt böse Sachen, das war doch schon immer so. Aber das hat doch bereits jeden Maßstab verloren, an dem man gerne etwas messen wollen könnte, würde nicht an jeder Ecke ein neuer Schrecken auftauchen. Erst die direkten Vermittlungen der Gepeinigten, dann ein Blick in die indische Zeitung, wo ich vor lauter Grauen schon gar nicht mehr hinschauen möchte, dann mal hineinschauen in westliche Neuigkeiten, das schlägt dann dem berühmten Fass den Boden aus. Allein diese Hunderttausenden von Frauen, die in Paris und Rom auf die Straßen gegangen sind gegen häusliche Gewalt. Häusliche Gewalt, ein grausamer Begriff, der auf jeden verschleierten Horror zutrifft, Männer in Foren, die sich Bilder von missbrauchten Kindern zusenden undsoweiter, man schaudert an den genannten Zahlen entlang und weiß wie wir alle, dass das nur ein Bruchteil dessen ist, was wirklich läuft im dunkelsten aller Netze, in dem Kinder und Frauen weiterhin hemmungslos gesucht, gefunden und gefangen werden. Ich habe letztes Jahr auch mit SchülerInnen von Sogyal Rinpoche und MooJi  gesprochen, die damit umgehen müssen, dass ihre Meister wegen schwerem sexuellem Missbrauch angeklagt wurden und werden. Eine meiner ältesten Freundschaften, oft genug geprüft wegen Unvereinbarkeiten, scheint sich nun aufzulösen, denn ich kann es nicht mehr ertragen, dass mir gesagt wird, es seien die dummen Frauen, die sich an  Lehrer heranschmeißen, so, als hätte der Lehrer weder Wahl noch Verantwortung für seinen Umgang mit den oft genug psychisch Geschädigten, die sich ihm anvertrauen. Überhaupt: der Umgang. Wie geht man damit um, das muss man erstmal für sich klären. Als ich mich selbst noch aufgehoben fühlte in einer bestimmten spirituellen Schutzzone, ja, das war gut, auch dafür gab es ein Zeitgemäßes. Ernsthaftes Beieinandersitzen in Stille und Würde, jeder bei sich und doch das gemeinsam zu Lernende teilend. (meditative Praxis). Es gibt da nicht viel, was ich bedaure in der vergangenen Zeit. Wenn ich aber jetzt so einen typischen Satz lese wie zum Beispiel von Sri Sri Ravi Shankar, nicht der Sitarspieler, sondern einer der führenden (lebenden) Gurugestalten Indiens, der sagt (in einer Ecke der Times), dass, wenn man unberührt bleibt von allen Geschehnisse, man seinen natürlichen Zustand, die Freude, vorfindet, da könnte ich platzen. Wo seid ihr, und was macht ihr da auf euren Thronen für einen lächerlichen Eindruck mit all den Sri Sris, gleich doppelt erhaben, und über was, meine Herren, über was und wen erhaben. Da stimmt doch was nicht mehr mit diesen hoch angelegten Sätzen, die man gerne in die Hinterzimmer bringen würde und schauen, ob sie dort angebracht sind und ihre Wirksamkeit entfalten können im praktischen Dasein. Ja, ich lebe auch anders wie viele Menschen. Es hat mich niemand daran gehindert, meine freien Entscheidungen zu fällen, es waren nicht die schlechtesten, das muss ich schon sagen. Und Indien hat mich in vieler Hinsicht weit ins mir Unvorstellbare hineinreifen lassen mit seiner unglaublich facettenreichen Kultur und seinem oder soll ich ihrem Glanz sagen, MataJi Bharat, das alte Wort für Indien, dieser großen, mächtigen Mutter, ja wie geht’s der denn heute. Metoo, wo war doch gleich der Hashtag, ist vergessen und für die erwachenden Frauen keinerlei Freiraum in Sicht. Nehmt euch in acht, haben Frauen auf den Straßen von Rom und Paris gesagt und auch gemeint, wir sind auf der Straße. Natürlich freut man sich, dass Frauen hinausgehen und sich die Welt zurücknehmen, die ihnen zu viele Männer einfach nicht zugestehen wollen. Eigene Welt, eigener Zugang, nicht ein ganzes Leben durch Andere leben und für sie, so, als könnten sie es nicht selbst. Ohnmacht auf allen Ebenen. Man muss das mal fühlen können, ohne auszuweichen auf Weiteres, was es auch gibt, kein Zweifel.

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