gehen

Wer hat nicht schon mal über ein technisches Wunderauge von einem Außen auf den Planeten schauen dürfen, der zumindest bis jetzt der Wohnort aller bekannten Wesen ist, so schwer es einem zuweilen fallen kann, das für möglich zu halten. So glitzernd das Ganze im All aussieht, und winzig ist im Verhältnis zum noch weitgehend unerforschten Rest, so schwindelig kann einem werden, wenn der Blick hineinzoomt in die Strukturen, deren distanzierte Ordnungen man auch vom Flugzeug aus bewundern kann. Je näher man kommt, desto komplexer wird es. Die Schwerkraft tut das Ihre. Das Gehen spielt eine große Rolle, einmal, um die eigenen Ziele zu erreichen, falls man welche gesteckt hat, und überhaupt ist es für das persönliche Lebensgefühl wichtig, mobil zu sein. Dann gibt es Grenzen. Auch das Sterben ist ein Gehen. Ständig kommen Wesen an und ständig gehen welche, das bekommt man nicht immer so direkt mit. Auch gehen die Kulturen sehr unterschiedlich mit den „natürlichen „Vorgängen um. In Indien wird noch am selben Tag des Todes der Körper auf einer Bahre durch die Straßen getragen zum Verbrennungsplatz, das sind oft nur Stunden. Wahrscheinlich, weil in der Sommerhitze ein Körper gar nicht herumliegen könnte. Die Verbrennungen finden auch im öffentlichen Raum statt, auch hier wird noch nach Kasten getrennt. Wenn auf der Straße ein breites Band von gestreuten Rosen liegt, weiß man, dass jemand gegangen ist und kann fragen, wer, falls man die Person kennt. Es wird ja immer mal wieder geraten oder besprochen, sich so früh wie möglich darum zu kümmern, den Tod als eine ständige Begleiterscheinung anzusehen und dementsprechende Vorsorge zu treffen. „Vorsorge ist vorgezogene Sorge“ wurde mal jemand zitiert, das sehe ich auch so. Und doch: was will man und was will man nicht. Ein Krankenhaus kann ein hilfreicher Ort sein, aber auch ein Gefängnis, zu dem man durch einen Gewaltakt gebracht wird. Unterzeichnet man keine ganz bestimmten Papiere, können auf einmal Fremde über das eigene Leben bestimmen. Es gibt da sehr unterscheidliche Meinungen dazu, wem es zusteht, in gewissen Situationen über einen zu bestimmen. Man muss wachsam sein und sich ein Bild davon machen, wie man sich das vorstellt. Wie klar man die Dinge mit den LebensbegleiterInnen besprechen kann. Im Falle eines solchen Falles: unter die Erde oder das Erdlingskostüm aufgelöst in Asche. Und wohin mit ihr, wenn man selbst oder die Anderen von einem sie (die Asche) haben möchten, vielleicht irgendwo hinstreuen oder hinbringen, wo es Rituale dafür gibt. Einmal habe ich in einem ungewöhnlichen Bestattungszentrum die Performance einer jungen Frau gesehen, die die letzten Worte sterbender Persönlichkeiten gesammelt hatte, soweit sie überliefert waren. Sie hatte für jede Anekdote, meistens von Zen Meistern, ein Objekt mitgebracht, sozusagen als Bilderweiterung. Hochspannend, dass es tatsächlich für jeden Menschen letzte Gedanken und Worte gibt, man kann nur nicht wissen, was man selber sagen wird oder ob man überhaupt was sagen wird. Wann wurde den tausenden gekenterten Afrikanern klar, dass das Abenteur zu Ende war. Und die Kinder, die die ganzen Katastrophen überleben, und die Kinder, die sie nicht überleben. Schön wäre auch, man könnte, statt das Vorsorge Set zu studieren, an einem bestimmten Punkt einfach merken, dass man geht, und Zeit hat, in den Himmel zu schauen oder in die Stille zu lauschen in einem wohlwollenden Setting, mit Freunden, mit denen man das alles mal soweit wie möglich, durchsprechen konnte. Dem Ungewissen genügend Raum zum Atmen lassen, bis auch das vorübergeht.

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