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Zigarette

Die Maske habe ich in einem zerknüllten Taschentuch entdeckt, und die Zigarette ist da, weil heute Internationaler Nichtrauchertag ist. Frauen-Tag, Männer-Tag, KinderTag, Blaubeeren-Tag, Feier-Tag, All-Tag undsoweiter. Bald sind unsere Kalendertage gefüllt wie der Hindu-Kalender, wo noch die vielen verschiedenen Religionsfesttage dazukommen, und, seit die jüngeren Generationen wissen, wann sie geboren sind, nun auch die Geburts-Tage. Unter dem morgendlichen Gedröhne der Rasenmäher kann man sich mental mit etwas beschäftigen, was nicht so viel Ernsthaftigkeit erfordert. Zigaretten, zum Beispiel. Ja, das war eine schöne Zeit, als ich noch bedenkenlos rauchen konnte. Nie kam mir in den Sinn, diesen Genuss durch Einschränkung zu vermindern. Meine ganze Vision von einem gut gelebten Leben hing einst eng zusammen mit den Paraphernalien einer passionierten Raucherin. Meine Tante, die inzwischen, nach zwei Rauchvergiftungen, zu Zigarre und Pfeife übergegangen war, empfahl mir diese kleinen Denicotea-Filter, für die es dann angemessen war, in der (wunderschönen) (echt silbernen) Dose echt silberne  Zigarettenhalter zu erwerben. In meiner Zeit in Nepal kannten wir mal einen jungen Mann, der sich vom Könisgjuwelier ein tantrisches Koksmesser anfertigen ließ, auch nicht übel, aber überall gibt es auch Grenzen oder Entscheidungen, wie auch immer es erlebt wird. Es war klar, dass ich mich eines Tages von meiner Vision, eine schreibende Raucherin in internationalen Cafés zu werden, loseisen musste. Andere Dinge kamen dazu, die mit dieser schlichten Einstellung nicht kompatibel waren. Doch spüre ich heute noch einen Hauch Dankbarkeit, dass meine Raucherfreude von keinerlei gruseligen Bildern getrübt wurde, nein, ganz im Gegenteil. Die Frauen in meiner Familie konnten es kaum erwarten, bis wir auch zur Zigarette griffen. Ich war zwölf, als ich lange genug den dunkelroten Lippenstift meiner Mutter auf den goldenen Filtern ihrer Marke aufgesogen hatte, bevor ich mich entschied, eigene Erfahrungen zu machen, wohl auch zuerst aus ihrem italienischen Holzkästchen, immer griffbereit auf dem Tisch. Diese Leidenschaft hielt lange genug an, um überhaupt als solche gelten zu können. Denken und Rauchen kamen mir untrennbar vor. Dann war es eines Tages so weit. Ich wanderte gerade in Kaschmir auf  den Berg Amarnath zu, da fragte ich einen Mann auf der Straße nach einer Zigarette. Durch seinen Blick wurde mir klar, dass da etwas nicht mehr zusammenpasste, also meine Lebensweise und der Anspruch auf den Zigarettenrauch. Am Tag, als ich mich in die tabakwarenverpönte Gesellschaft der Yogis einließ, mit denen ich was lernen wollte, habe ich mir noch schnell zum Abschied zwei Zigaretten am Kiosk gekauft, die kann man heute noch einzeln erwerben in Indien. Irgendwann brachen die zurückgedrängten Rauchgelüste noch einmal auf. Es war absurd, wieviel schwere Geisteserde schon auf den Verboten lagerte, ein Sündenfall, und dadurch eine Weile abenteuerlich. Dann war’s vorbei, der wahre Genuss tauchte nie mehr so ungebändigt auf, der gute Virginia Tobacco zu teuer, einfach nur Schall und Rauch. Ja, ich bin froh, dass noch keine Geschwüre auf den Packungen zu sehen waren in meiner Raucherinnenzeit,und die Sucht  noch nicht ihren hässlichen Hinterhalt zeigte. Man kann davon sterben, jaja, aber manche sterben auch an den Einträufelungen der Schreckgespenster, an den heimlichen Vergiftungen der Waren, am Missbrauch der Pflanzen. Alles Gute also zum internationalen Nichtrauchertag.

 


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