spenden

 Das Figürchen habe ich heute auf meinem Weg gefunden. Es ist ungefähr 4 cm hoch und erinnerte mich auf liebevollste Weise an die vielen Pilger und Pilgerinnen, die ich in den letzten Tagen all diese Mühen habe auf sich nehmen sehen, das Bad, das Gedränge, die notwendigen Spenden, die Suche nach einem einigermaßen sauberen Platz zum Essen und zum Trinken, und dass man die große Familie nicht verliert, und dass man seine Schuhe wieder findet, wenn man geht. Mit den liegengebliebenen Kleidungsstücken und Schuhen kann man ein ganzes Dorf ausstatten, und soweit ich sehe, werden auch die Bündel der Kehrerinnen nicht untersucht. Da die meisten Inder ein riesiges Gedrängle im eigenen Haushalt gewohnt sind, kann man auch bewundern, wie gut und freundlich sie sich miteinander arrangieren. Auch die Herren Mönche in den orangenen Farben waren heute zahlreich vertreten. Ungefähr 200 von ihnen stellten sich den Photographen für ein Gruppenbild bereit, meine Hand griff auch schon zum Smartphone, sank dann aber ermüdet wieder in die Tasche. Mehr als eine Million Photos werden diesen Ort verlassen und irgendwo gesehen werden, wo sich niemand auch nur vorstellen kann, was da los ist, und wer diese Gestalten sein könnten. Muss ja auch nicht sein. In der Zwischenzeit könnte man mit Plastiktüten aller Art, die seit 3 Jahren verboten sind, ein kleines Business aufmachen (bemalte Plastiktüten!) Was sich einmal richtig gut bewährt hat, ist schwer wieder weg zu kriegen. Man füllt also als guter Mensch pflichtgetreu die Tüten mit allerlei Futter, das man unterwegs irgendwas Lebendigem spendet, und die leeren Behälter lässt man einfach fallen. So kann man später das Sterben der Fische sehen oder eine an Plastik gestorbene Kuh. Ob der Mensch von seinen Fehlern nicht lernen kann, ist vermutlich eine der müßigen Fragen. Die planetarisch gerade Anwesenden erleben ihr Schicksal ja immer neu, und man lernt mit den Jahren, was man sich selbst zumuten kann. Ach ja, eine Gruppe habe ich noch vergessen zu erwähnen, das sind die Polizisten, und vor allem die Polizistinnen. Sie sind überall, die meisten mit ihren Smartphones beschäftigt, da es in der Tat wenig für sie zu tun gibt, obwohl terroristische Anschläge bei jeder Großveranstaltung erwartet werden. Da die nächstliegende Stadt eine Hochburg des Islam ist, kann man geradeaus von einem Wunder reden, dass noch nichts Schlimmeres passiert ist außer diesem Fall vor ein paar Jahren mit dem Terroristen Headely, der angeblich die Einrichtung einiger orthodoxer Juden, die sich hier eingenistet haben, in die Luft jagen wollte. Man kann sich vorstellen, warum Frauen in Indien Polizistinnen werden wollen, das muss erstmal eine Weile ein gutes Gefühl sein, wenn sie nicht so streng und knochenhart aussehen würden. Dann habe ich noch den tiefgläubigen Brahmanen getroffen, der mir jedes Jahr berichtet, wie schwer es ist, zu Gott zu gelangen, keiner hätte auch nur den blassesten Dunst, w i e schwer es ist. Er sieht sehr ungesund aus und ich frage ihn, ob es leichter geworden sei inzwischen. Er lächelt etwas gequält. Only „SitaRam SitaRam“ sagt er erklärend, was soviel heißt wie, dass er zur Zeit in der Übung ist, nichts anderes zu denken und zu sagen als SitaRam, die beiden Hauptdarsteller der  Ramayana, dem beliebtesten Epos der Hindus. Dass das indische Volk generell als untherapierbar gilt, heißt nicht, dass es nicht adäquate Formen gefunden hat, vorhandene Neurosen auszuleben. Wer will es beurteilen?

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