überraschend

Verblüffend ist eigentlich, dass einem die Wort-und Bildgestaltungen, die aus dem Inneren herausfinden ins Außen, einem selbst, bzw. mir selbst gleichermaßen fremd vorkommen wie vertraut. Auch ist es ja nicht so, dass alles, was heraustritt, in dieser Formation  schon in einem der unzähligen Korridore und Felder des eigenen Seins gewohnt hat und nun auf die Bühne tritt, um die dazugehörige Geschichte zu erzählen. Meine Bilder zum Beispiel können einen denken lassen, es seien Geschichten, aber von mir aus bieten sie keine an, denn ich sehe sie eher als Zustände in Momentaufnahmen, die mir etwas von mir zeigen, was ich noch nicht kenne. Ich deute aber nicht so viel hinein, sondern lasse mich eher überraschen von dem, was es in mir auslösen kann. Es ist das Zulassen dessen, was in genau diesem Augenblick sein kann. Ein anderer Weg wäre zum Beispiel, dass ich mich innerlich entscheiden würde, eine androgyne und jungfräuliche Gestalt in einem weitreichenden und geöffneten Sari zu pinseln, neben der sich eine Kuh niedergelassen hat, und das könnte ich gar nicht malen, oder könnte ich vielleicht, aber will ich gar nicht. Bevor ich aber in dem hellen Gebilde auch ein anderes riesiges Tier gesehen habe, konnte ich für einen Nu die berauschende Nähe der indischen Kuhhaut spüren, eine tief eingegrabene Berührung mit einem paradiesischen, aber realen Zustand, den es manchmal gibt, wenn man stillsteht und fühlen kann, wie man zeitlupenmäßig zum Kern des Wesens gleitet. Als Tiere noch keine Steaks waren, sondern ein kostbarer Schmuck der Menschenherde, und in angemessener Weise auch ihre Nahrung sein konnte. So kann man dann auch Erzählung und Dichtung und Spiel und Zusammenhang erschaffen. Auf indischen Götterbildern wird Krishna, der Gott der Liebe, meistens mit diesen hellen, bildschönen Kühen abgebildet, und es gibt eine Geschichte, in der Draupadi in einer schamvollen Situation entblößt wird und Krishna um Hilfe ruft, und siehe da, ein Sari kam aus dem göttlichen Nichts und umhüllte sie. Natürlich würde kein Inder meine dünne Gestalt da oben und ohne das traditionell wallende Haar als ihre Draupadi erkennen, und das soll sie ja auch gar nicht sein, sondern ich lasse wieder zu, was da ist. Ich erfreue mich daran, dass es einen Ort gibt, wo Zugehörigkeit zu allem Lebendigen, in welcher Form auch immer, in einem einzigen, bewussten Atemzug enthalten und als solcher weiterbewegt werden kann.

 


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