Sneh

So, dann habe ich mir für die Feiertage diesen Engel herbeigepinselt, denn man trägt doch immer auch Spuren des Einstigen in sich, das in großen, verehrten Büchern heilig erzählt wurde und vor allem im kindlichen Gemüt trostreiche Spuren hinterlassen hatte. Dann das Basteln von Laternen, die von innen heraus leuchten, und das Fabrizieren der Geschenke, und die unvermeidbare Geschichte mit den Königen, die aus dem Orient kamen und dem Stern folgten und dann auf den kleinen Jesu trafen. Da brauche ich hier nicht weit gehen, um so eine Hütte zu finden mit Ochs und Esel und ein paar Ziegen, aber natürlich kein Heiland in Sicht weit und breit, um die Tempel leerzufegen von den Verkaufsständen. Und auch ich konnte den Indern nie vermitteln, wie es zu zelebrieren ist, das heilige Fest von der Geburt des Schmerzensmannes, der sich auch noch verlassen fühlte später von seinem Herrn. Kein Schnee hier, sage ich immer, es braucht Schnee und einen Tannenbaum, und viele Kerzen, die werden hier nur im Notfall benutzt, wenn mal wieder das Licht ausgeht. Zum Glück fragen sie auch nicht so viel wie ich bei ihren Festtagen, wo das alles herkommt und was sie bedeuten, die verbliebenen Symbole des Heiliggesprochenen, ja keine Ahnung, wo er herkommt, der Tannenbaum, o Tannenbaum, das Lied erklärt es mir etwas, er grünt eben nicht nur zur Sommerzeit, sondern auch im Winter, also ein Zeichen des Lebensbaumes und des ewiglich Grünenden. Nun haben die Inder Weihnachtsferien, weil sie in den englischen Kalender navigiert wurden, und zweifelsohne ist das für viele Menschen sehr schön, und auch ich mag diese Zeit zwischen dem 24sten und dem ersten Tag des neuen Jahres, eine Kurve der Stille und Ruhe, wenn man sich das erschaffen kann in all dem erschöpfenden Trubel. An diesem Punkt musste ich unterbrechen, da ich draußen am Ghat mit einer sehr jungen Inderin verabredet war. Wir hatten uns letztes Jahr mehrfach am See getroffen, da sie den See liebt und ich auch täglich um den See kreise, das heißt hier „Paricrima“, die Umwandlung. Sie will Bankerin werden und hat ein reges Interesse, ja, an vielem. Wir kamen auf die Feiertage zu sprechen und Jesus, und dass sie dachte, alle AusländerInnen, die hierher kommen, seien Christen. Sie ist erstaunt, dass ich nicht Christin bin. Hindu zu sein kann man nicht wählen, und man kann auch nicht aussteigen. Ich bin aus dem Christentum auch nicht ausgestiegen, ich war nie drin. Oft interessiert es mich auch, die Geschichten zu hören, die so vielen Menschen immer so vieles bedeutet haben und bedeuten. Oder selbst mal darüber nachdenken, wie es wohl war für ihn, Jesus Christus, diesen schrecklichen Weg zu gehen. Die Religionen sind sicher eine mächtige Stütze, und es fällt wahrhaft schwer, bestimmte Rituale und Handhabungen mit irgend etwas anderem, Reichhaltigem zu ersetzen, aber sie, die Religionen und ihre Herden fügen auch mächtig viel Schaden zu. Nein, kein Mitglied einer Religion, keine Christin. Vom menschlichen Sein her ist alles berührend: die Schönheit, und dann: der Schrecken. Da wir hier keinen Schnee haben, fiel mir das Hindi Wort „Sneh“ ein, ein schönes Wort und bedeutet „Zärtlichkeit“, eben sneh. Davon wünsche ich viel und einen stillen Abend, und eine friedvolle Nacht.

 


One thought on “Sneh

  1. h Antworten

    Der Engel ist wunderschön.

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