zuwenden

Ost (Orient) und West (Okzident) im Zauberkreis? Oder eher die Entzauberung des Kreises, was zu förderlicher Nüchternheit führen kann. Wer hätte gedacht, dass im Westen niemand mehr nach einem Meditationskurs suchen muss, denn die Angebote sind überwältigend. Lehrer sind gekommen und gegangen, wurden ausgebildet, wurden eingebildet, wurden noch pflichtgetreuer als ihre Lehrer. Und auch hier: wer will und kann jemandem vorschreiben, wo etwas noch ist, was es einmal war, und wo es gar nichts mehr zu tun hat mit dem, was einst damit gemeint war. Wenn ich jetzt, sozusagen als eigener Faden in der ganzen Bewegung, die uns in den Orient führte (und zum Glück auch wieder hinaus und dann wieder hin), zurückblicke, wird einiges doch klarer in der Betrachtung. Ganz abgesehen von allem, was uns allen gut getan hat wie das lange Verweilen in der Stille zum Beispiel, und wenn wir ernsthaft mit dem Gelernten umgingen, so ist es doch auch heute noch erstaunlich, wie viele abgründige Missverständnisse sich auf beiden Seiten eingenistet hatten. Das ähnelt tatsächlich in einigem der Ost -und Westbeziehung hier, vor allem in den oft gnadenlosen Projektionen, die ausbrachen, als eine Mauer zwischen den Fremden fiel. In Indien fiel auch eine Mauer uns gegenüber. Es hatte viel mit Geld zu tun und den Möglichkeiten, neue Reiche zu erschaffen die sich teilweise erfüllten, aber nicht wirklich. Im Westen verblüfft immer wieder, dass der Mensch, der alles zu haben scheint, was begehrt wird zum Komfort des Aufenthaltes, dann erst bemerkt, dass irgendwie übersehen wurde, wer am Steuer des Tuns sitzt und wer das geworden ist. In Indien herrschte die gängige Meinung, wir aus dem Westen hätten nichts anderes im Kopf als Nutzloses, und man konnte uns in der Tat locken mit hohen Anstrengungen. Die Inder, die in diesen Entscheidungen saßen, konnten nicht mehr zurück, und wir aus dem Westen hatten zwar viele Optionen, konnten aber, weil wir es so tierisch ernst nahmen, auch nicht mehr zurück, und so fing die Massenwanderung zum heiligen Irgendwo als Irgendwer im Irgendwie an. Schulen entstanden, Universitäten, psychische Heilanstalten. Höhen und Tiefen wurden entgrenzt, Wissen in allen Dosierungen weitergegeben. Manche überlebten ganz gut, vor allem, wenn der östliche Ruf nach völliger Hingabe und Gehorsam von uns nicht erfüllt werden konnte und auch nicht gewünscht war. Ich-Geschichten wurden im östlichen Wissen abgelehnt, das „Ich“ überhaupt als Hindernis empfunden. Wer kannte und konnte es auch schon, wenn es keine Anregung gab, das Ich zu reflektieren? Nun „ichen“ sich beide Seiten durch die Bewältigung der Tragödie, die gemeinsam gestaltet und angerichtet wurde und die Frage, wer dieses Ich denn ist,  gewinnt an Bedeutung. Nirgendwo kommt man um schmerzhafte Bewusstwerdung herum, immer vorausgesetzt, man will wissen, wer steuert, und ob man der eigenen Richtung Vertrauen kann, und auf welcher Basis. Das hat so seinen Reiz. Neben den wirklich wenigen zeitlosen Fragen, die uns zu einem Erkennen über uns selbst führen können, erscheinen viele anderen Erzeugnisse grotesk, denn wenn klar ist, dass keine Einschaltung spurlos an mir vorübergeht, bleibt mir der Hinweis auf meine Richtung nicht erspart. Wenn die Entzauberung der Vorgänge auf dem Planeten eingesunken ist, bleibt nichts anderes übrig als sich dem, was für einen selbst wahrnehmbar ist,  mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und dem notwendigen Humor zuzuwenden.

Bild: heiliger Stein in Indien (mit heiligem Faden).


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