bewegt

„Kunst.Bewegt.“ steht auf der Karte, die mir beim Aufräumen in die Hände fällt. Eine Eintrittskarte von Schloss Moyland, lese und erinnere ich mich, denn der Grund der damaligen Reise war die Ausstellung von Beuys, den ich gerade neu oder überhaupt mal anders als schnell wahrgenommen hatte, und der dort einen festen Standort hat. Es passt ganz gut zu meinen Gedanken, denn der berühmte Ausspruch von Beuys, dass jeder ein Künstler ist (aber nicht alles Kunst) hat ja auch zu denken gegeben, auch weil man von Missverstandenem stets ausgehen kann. Daher der stetige Pfad zur eigenen Wahrnehmung. Ich will jetzt nicht die Tiefe des Punktes zwischen den beiden Worten ausloten, sondern habe innegehalten und mich gefragt, was sie denn tatsächlich bewegt. Beziehungsweise muss man wohl immer mal wieder durch das uralte Sinnen streifen mit der Frage, was sie, die Kunst, denn überhaupt für einen selbst ist, auch im Zuge der Wandlung und des eigenen veränderten Blicks auf die Aussagen des Erschaffenen. In der letzten Ausgabe der „Zeit“ war ein Interview mit Neo Rauch, das ich sehr ansprechend fand, obwohl ich seine Kunst weder tiefer betrachtet habe, sondern eher einem Impuls des Wegschauens gefolgt bin. Jetzt werde ich mal genauer hinschauen, denn dass er gerade auf dem Kunstmarkt der Renner ist, sagt über nichts was aus, außer dass es mal wieder einer geschafft hat, von irgendwem gesehen und eingeschleust zu werden in die anstrengenden und aufreibenden Prozeduren. Und die Relativität des Berühmtseins, wenn der kurze Rausch, dass man sich die notwendigen Materialien leisten kann, verraucht ist und die vielen Begegnungen mit den Menschen des sogenannten interessierten  Kunstpublikums eher ermüdend. Und für mich ist der Kern dieses ein Leben lang anhaltenden, inneren Vorgangs, frei von all den Tricks des Bedienens, Kopierens und was so alles als Kunst erscheinen kann, in der Tat die Freude, einen Ausdruck für das zu finden, was mein Innerstes bewegt, und von dem ich sehen kann, was in mir brodelt oder liegt oder heraus will an die Luft. Eigentlich habe ich einem Beitrag hinterher gesonnen, wo eine Gruppe, die was Gutes für Menschen tun wollte, eine 3d-Brille kreirt hat im Zusammenhang mit einem komplexen Programm für Alzheimer-und Demenzerkrankte, um mit bewegten Bildern aus ihrer Vergangenheit vielleicht einen Zugang zum direkten Leben, das sie vergessen haben, zu erschaffen. Das finde ich immer so tödlich, dass durch die Erzeugung solch kostspieliger und angeblicher Heilungsmethoden die möglichen Ursachen aus den Augen verloren werden. Wenn man aber bedenkt, dass die Gehirne so vieler Menschen sich in Räumen konstanter Fremdbestimmung bewegen, nicht nur durch ihre Arbeit, sondern durch das televisionäre Aufsaugen von Fremdleben und Programmen die eigenen Gehirnwindungen und Synapsen-Bewegungen  lahmgelegt werden. Natürlich kommt es auch hier darauf an, ob ich das Aufgenommene selbst reflektiere oder mich einfach belämmern lasse von dem Vorgesetzten. Aber es war auch ziemlich beunruhigend zu hören, als Walter Jens, ein einst geistig reger Mensch, in die Tiefen der Alzheimer-Höhlen abwanderte. Allerdings wurde auch berichtet, dass er mit sich selbst im noch wachen Leben streng war und sich vieles nicht gönnte, und nun im Rollstuhl selig lächelnd mit der Betreuung in den Supermarkt gefahren wurde, wo ihm leckere, belegte Brötchen gereicht wurden. Rührend, aber auch keine Befreiung der Unruhe, wie so etwas passieren kann. Deswegen fielen mir vermutlich die beiden, durch einen Punkt getrennten Worte noch mehr ins Bewusstsein. Wenn Kunst nun die Fähigkeit sein sollte, dass es dem Menschen gelingt, für das, was er ist, einen adäquaten Ausdruck zu finden, für den bekanntlich jede/r unterschiedliches Material und Werkzeug und Instrumente braucht, bis es heraus ist und immer wieder geboren wird, was eine gewisse Unruhe der Bewegung hervorruft, dann, denke ich, bleibt die Schaltzentrale des Gehirns auch in Bewegung. Wir wissen ja nicht, wann einer innen erfriert oder erkaltet oder sich nie wirklich erreicht hat, sondern in den Bemühungen stecken geblieben ist oder dem Druck nicht mehr spielerisch begegnen konnte, und wann die tödlichen Schlingen der Erstarrung ihre Netze auswerfen. Wenn die Reduktion des Seins keine Freiräume erschaffen hat und keine Loslösung von Glaubenssätzen mehr möglich ist, ja, was soll denn da automatisch erhalten werden? Dann erfährt man, dass LehrerInnen immer noch schlecht bezahlt werden und überhaupt gibt es zu wenige von ihnen, und die meisten sind gestresst und überfordert. Und sind sie ausgerüstet mit Künsten, die eine Gegenbewegung zu all diesem Irrsinn darstellen könnte? Wir leben im Zentrum des Irrsinns und der Ohnmacht, wenn alles, was einem halbwegs nüchternen Geist natürlich vorkommt, plötzlich die Macht eines unerreichbaren Wunders annimmt. Dass aus Kindern Erwachsene werden können, die in der Lage sind, sich selbst zu erschließen, und dass sie das Werkzeug dazu von Anfang an mitbekommen haben, basierend auf einer Liebe, aus der sie bewusst empfangen wurden. Gut, das sind nun wirklich die Künste, bei denen jede/r letztendlich allein entscheiden muss. Genau.
Bild: Eintrittskarte mit kinetischem Sandrahmen und Sandauge.

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