Schafskälte

Die Frau an der Kasse der Tankstelle sieht mich intensiv an. „Kalt!“, sage ich, denn meine Hemmschwelle gegen Klimaunterhaltungen ist leicht gesunken, seit mir durch ein WDR5 -Gespräch im Autoradio klar wurde, dass Wetterthemen einen wichtigen, kommunikativen Beitrag in der Völkergemeinschaft leisten, denn man kann darüber sehr gut Zustände reflektieren bzw sie an Anderen wahrnehmen.“Das ist die Schafskälte!“ fügt die Frau hinzu. Ob das in Spanien auch so gesehen wird, wenn es um diese Zeit mal kalt ist, wüsste sie nicht, aber hier nennt man es die Schafskälte. Immer Anfang Juni, nach den Eisheiligen und der Kalten Sophie. Kein klimatischer Alien, sondern ganz wie immer. Man fährt mal kurz hin und her und lernt was dazu. Ich höre unter anderem von meiner Begleiterin, dass es im biologischen Feld der Wesen eine Fortpflanzungsbarriere gibt gemäß des Umfeldes, in dem sie zuhause sind. Durch die globalen Veränderungen kommt es jedoch nun zu Situationen, die diese Sperren aufheben oder durchkreuzen, denn man hat festgestellt, dass es neue Tierarten gibt, die man auf solche Veränderungen zurückführt. So ist es sicher auch bei Menschen, dass durch anderes Blut neue Formen entstehen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Elsa Morante in Rom, die eine leidenschaftliche Verfechterin der globalen Vermischung war. Sie sah darin eine Hoffnung für den ermüdeten Weltgeist. Aber es dauert, bis genug Interessierte den eigenen Geist in guter Ausgewogenheit zwischen dem Einerseits und dem Andrerseits haben. Wie es „wirklich“ ist, bleibt überlassen. Manchmal erkennt ein Kind seine eigene Mutter nicht, wenn es sie in völlig anderem Kontext erfährt. Das ging mir mit meiner Mutter auch mal so. Wer ist die fremde Frau. Ach so. Ich erinnere mich nicht an eine erschütterte Mutter. Es kommt wohl eher drauf an, wie man mit Entfremdung bzw. Befremdung umgeht. Dinge schleichen sich ein. Z.B. ist es gut zu wissen, dass man als Vegetarier/In anderen auf den Wecker gehen kann. Ganz zu schweigen von Veganern, wo man als GastgeberInnen schöpferisches Grübeln anwenden darf, um Essenswertes ein-und ausschließen zu können. Wir sind von Systemen umzingelt. Hilfe! Systeme und kein Ausweg in Sicht? Doch doch, rede ich,  beruhigend lächelnd, auf mich ein: es gibt jederzeit Ausweg und Zugang. Zum Beispiel kann ich jetzt allen, die unterwegs sind wie ich auch, einen gelungenen Schafskältetag wünschen. „Machen Sie’s gut, wo auch immer Sie sich aufhalten!“, wie ich vom Kommentator der Frankfurter Börse gehört habe und mir gerade in den Sinn kam.

Das Schafsbild stammt aus meiner Bild-Serie „war War“.


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