See

Wohl dem/der, der/die einen See kennt, wo er/sie hingehen kann. Ein See ist wie ein Spiegel, in dem man auftaucht und zur Ruhe kommt. Geheimnisvoller Blick, der die genaue Tiefe nicht kennt, wohl aber von darin Reflektiertem darauf hingewiesen wird. Schön ist ein See, wenn alles um ihn herum keinem gehört. Wenn jeder ihn Umwandelnde gehen und sitzen kann, ohne gestört zu werden. Auch zusammen hineinschauen ist schön. Das Wort zieht sich zurück hinter die Augen. Will es heraus – gut – lässt man es tun. Es benimmt sich im Angesicht der leisen, stillen Bewegung. Hier am See war mal eine Zeit im Einst. lange vor meiner Zeit, da war der See nicht sichtbar. War Dschungel, überwuchert von reicher Natur. Dann kam ein König vorbei, der von Lepra geplagt war. Er sah eine kleine Pfütze im Dickicht, bahnte sich einen Weg da hin, trank vom Wasser und wurde geheilt. Er ließ den See vergrößern. Es gab auch mal Leguane, Krokodile und Schildkröten darin. Andere Könige kamen und ließen bauen. Eine großzügige Architektur mit Becken im See, die auch ihnen als Badeplätze dienten. Die Könige verschwanden. Es kamen Anekdoten und Legenden des Schöpfers. In Brahmas Ritual ersetzt der See das Feuer, an dem man Opfer bringen kann, zum Glück nicht muss. An den Ufern dienen Brahmanen den Pilgern. Man könnte es auch eine traditionelle Abzocke nennen, aber das führt in eine andere Richtung. Der See selbst hat keine Richtung. Wir gehen herum. Es heißt, wer den See umwandelt, wird automatisch verwandelt. Jede/r, der hier wohnt oder  dazukommt, hat den See umrundet. Wir sind das Rad, das den See in Bewegung hält. Unermüdlich dreht sich der Kreis. Manche fallen heraus, andere kommen hinzu. Einmal gab es eine gravierende Störung. Der See trocknete aus, die Fische starben, die Mantras verstummten. Lösungen wurden gesucht und gefunden. Der See nach dem Trauma: wieder zum Leben erwacht. Heute früh habe ich unendlich viele, kleine Fische sich darin tummeln sehen. Ich bedanke mich bei NarayanJi, dem Prister am Ghat, wo ich sitze. Er macht immer ungefähr 50 Meter entfernt von mir  Puja für die zu ihm Kommenden. Ein einfacher, rechtschaffener Mensch. Manchmal reden wir miteinander, nicht oft. Er weiß, dass ich durch seine Anwesenheit eine Art Schutz erfahre, weil ich es ihm gesagt habe. Es wird geschätzt und verstanden, denn wir sind ringsum interessiert an guter Atmosphäre. Schließlich ist es, wenn auch nur vorübergehend, mein offizieller Platz am See.


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