schätzen

Wir hatten Besuch von zwei Frauen aus einer indischen Brahmanen-Familie, mit der ich sehr verbunden bin. Sie haben mir mehrere Jahre lang ihr Haus an einem Zugang (Ghat) vom (heiligen) See überlassen. Die Betriebsamkeiten an den Ufern waren exklusiv von Brahmanen bestimmt, denen bei all ihrer kastenmäßig angeborenen  Verlogenheit durchaus zu danken war, dass sie die turbulenten Scharen der Foreigners in Schach halten konnten. Am See entlang musste man barfuß laufen (wo ich anfing, meine Barfußschuhe einzuschmuggeln) und es war erwünscht, weniger nackt zu erscheinen, als es z.B. in Goa üblich war. Nun hatte ich mich bei meiner eigenen Ankunft am Ort zufälligerweise dafür zu interessieren begonnen, woraus eigentlich das sogenannte „heilige“ Leben besteht, denn es ist praktisch unmöglich, in Indien den Göttern auszuweichen, denn sie sind überall. Auch aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass es besser ist, sich bei lebenswichtigen Fragen auf dazugehörige Erfahrungen einzulassen, wie will man der Sache sonst näher kommen. Das Problem ist ja eher das Steckenbleiben in Ideologien, die einem vor allem in religiösen Praktiken aufgebrummt werden, und häufig fehlt den Followers die Rasierklinge der Unterscheidungskraft, mit der man sich mutig voranbewegen muss, will man etwas von den Verschwiegenheiten erfahren, die angeblich nur den jeweils Eingeweihten zugänglich sind. Es ist nicht zu leugnen, d.h. ich kann nicht leugnen, dass durch ensthafte Anstrengungsmanöver in die Vertikale Erstaunliches erfahren werden kann. Man weiß dann, dass Wunder möglich oder gar das verborgen Normale sind, und dass jeder Vogelmist ein Fenster sein kann in die Mysterien des Alls. Nun, ich war ganzen Herzens dabei, daher ist auch eine Liebe geblieben für kleine Tempel in der Wüste, eingeschmiegt in den tausenjährigen Banianbaum, ein innerer Ruhepol für Freundschaften. Auch die Liebe zum Gott war schön und tief und befreiend. Vielleicht tut es auch gut, sich eine Zeitlang einer, wenn auch imaginierten, bedingungslosen Liebe sicher zu sein. Vielleicht auch, wenn man sich geeignet fühlt, den Weg als Geliebte zu gehen und nicht als Kind. Dann ging auch das vorüber. Der letzte Hunger erloschen. Und es hat mir gut getan und war wichtig, den beiden Frauen, die mich kennen als gottverbunden, zu sagen, dass ich nun selbst für mich sorgen kann, so sehr ich die Gottesidee als einzusetzende Instanz schätzen kann.

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