normal

Aus meinem Freundeskreis kommt per Mail ein Satz über die Gefahr von „Normalizing“, die heutzutage, ja wahrscheinlich in jedem Zeitraum, erschreckend zu beobachten sein kann an sich selbst und den Bewegungen innerhalb des Weltgefüges. „Normalisierung“ meint hier Abgestumpftsein zum Beispiel durch mediale Übersättigung, oder das Verdrängen der Fakten im Angesicht eigener „Normalität“. Und wie das (normale) Grauen menschlich verdauen und der eigenen Ohnmacht gewahr werden!?
Letztes Jahr bekam ich eine Geburtstagskarte mit der gedruckten Aufschrift „normal ist gefährlich“. Nicht nur witzig eben, sondern auch wahr. Wie schnell was „normal“ werden kann! Das Ausgrenzen von Menschen, die anders denken oder leben als man selbst. Wenn ich hier im Ort oder am See herumgehe, passt sich mein Gruß „RamRam“ auch der Norm an, so schwer es mir manchmal fiel, bis es normal wurde, alltäglich. Und wie froh sind wir auch oft, wenn wir irgendwo hinkommen, wo wir „Normalität“ empfinden wie im Freundeskreis, wo wir uns wohlfühlen und entspannt sein können.
Neulich fiel mir mal in einem Gespräch mit Prakash auf, wie oft er sich voller Entzücken als „pagal“ deklarierte, also als verrückt. Er ist ein heller Kopf, hat aber diese fixe Idee über sich als „crazy“. Hier ist die Botschaft: auf keinen Fall normal! Besonders! Leider ist der Ich-Drang in uns Menschen, als etwas Besonderes zu gelten, auch ziemlich normal. Wer kennt es nicht? Mir kam die andere Variante bei Prakash: warum musst du, fragte ich ihn, immer verrückt sein müssen? Sind nicht die Normgesteuerten wirklich die Ver-rückten? Normgesteuert? Tun, was die anderen sagen, ohne über eigene Gewohnheiten, Tradition, Glauben, Person, Geschichte je mal etwas tiefer nachzudenken? Gibt es. Gibt es viele, sehr viele davon. Auch viele Ausgebildete unter ihnen, die gemeinsam Schreckliches planen und ausführen können. War das „normal“ für die Ingenieure, Gaskammern zu zeichnen, in denen Menschen zu Tode kommen werden müssen, sozusagen als Aufgabe, die treue Pflichterfüllung verlangt? „Normal“, weil unter dem Druck der willigen Einstellung alles so logisch erscheint? Normal, sich als blauäugige Herrenrasse zu empfinden, gestaltet von einem dunkelhaarigen Irren, der genug Gier und Instinkt besaß für den Knopf: auserwählt.
Als Fan des kosmischen Humors, den er, der Kosmos, so reichhaltig vor Augen führt, erfreue ich mich nun eines lebendigen Nus, der meinen Gedanken von außen her zuspielt, denn ein Mann spricht mich an, den ich seit Jahren kenne. Ramram – ramram. Und wie geht’s denn so. Ach, sagt er, mein Leben ist nur Gott gewidmet. (Das Ego der Demut leuchtet aus seinen Augen). Schnell geht er in Sanskrit-Verse über, die er bereitwillig in Hindi zu übersetzen beginnt. „Männer und Frauen sind wie Affen“, sagt es da, und ich muss eine schnelle Entscheidung treffen, ob ich dazu was sagen will. Ich will. Sehe ich nicht so, sage ich. Das Nur-mit-Gott-sein mag ja schön sein, aber das macht Männer und Frauen nicht zu Affen. (Oder doch, lauert der kleine Dämon in mir). Er schwenkt um und erklärt ( wie früher), dass der Mensch 48 000 Arten durchlaufen muss (oder waren es 84 000?), bevor er Mensch wird. Na eben, sage ich, sag ich doch. So lange, bis sie Männer und Frauen sind, aber doch keine Affen. Er ist mit dem Verlauf unzufrieden und geht. Ramram! Ich weiß, was er meint, will aber nicht mit-meinen, dass nur die Verbindung mit Gott zählt, alles andere ist monkey-business. Das ist für ihn normal. In dieser Hinsicht habe ich mich enorm entnormalisiert. Ich kann zwar auch mitspielen, aber der indischen „Normalität“ bin ich so ziemlich entstiegen. Ich liebe und achte das, was sie (auch für mich) hervorgebracht haben. Es fasziniert mich immer wieder, was sie so alles glauben und erzählen können, denn diese Normalität sprengt wirklich jedes westliche Gehirn. Wie gesagt, wenn man mit Liebe eintaucht und überlebt, fühlt man sich ziemlich bereichert und erfrischt. Normal halt.

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Das Gepinselte hat darauf gewartet, mal einen Auftritt zu haben. Ich finde, es passt ganz gut zu „normal“. Rechts ein paar Rosenblätter von meinem Tisch-


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