Siesta


Siesta
Für mich als Kind stellte das Wort „Mittagspause“ immer eine unnötige Lebensbremse dar, vor allem, wenn sie von jemandem zelebriert wurde, den oder die man gerne wach und aufmerksam neben sich hätte. Aber dann lernt man sie irgendwann selbst schätzen, die wohltuende Unterbrechung, wenn so eine Variante im Alltagsablauf einem überhaupt möglich ist: also eine Ruhepause zwischen Vormittag und Nachmittag einzulegen, wo der Körper sich mal in der Horizontale erfrischen kann und sich bereitmache  für Akt II des Tages. In Indien wird dafür meist ein Tuch benutzt, das auch für viele weitere Tätigkeiten und Handhabungen einsetzbar ist. Zieht man das Ding ganz und gar über den Kopf, dann weiß jede/r, dass man nicht verfügbar ist. Ach, wer kennt nicht dieses wohlige Wegtreten vom Weltgetümmel, wenn man allein ist für eine Weile unter dem Schutzschirm, befreit von Kaste und Kisten. Und in jedem Betrieb könnte so ein Siesta-Raum sein, damit Menschen ihren eigenen Gedanken nachhängen können oder auch nicht. Auch die Affen schlafen oft mittags oben auf der Terrasse, während die Kleinen auf ihnen herumturnen. Das war jetzt ein Mini-Plädoyer für die Siesta. Gleich kommt Mohan, der Wächter des Ghats (Zugang zum See), mit dem Motorrad vorbei und fährt mich zu seinen Kühen, die die ganze Familie ernähren (mit Milch und Yoghurt und Ghee und Malai), und ein Leuchten in seine Augen zaubern können, wenn er von ihnen erzählt.

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