geht’s noch

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Zum wiederholten Male höre ich, dass ukrainische Frauen auf der Flucht gewarnt werden vor Männern, die ihnen entweder ein Zimmer anbieten, um sie dann zu missbrauchen, oder vor anderen Männern, die sich in diese Notsituationen einschmuggeln mit der Intention, Frauen für die Prostitution zu…ja was…gewinnen dafür ja wohl kaum, sondern das Leid dieser Menschen für ihre perfiden Pläne missbrauchen. Den Schrei, der herauskommen möchte, halte ich auch zurück. Die Worte versagen ihren Dienst. Versagen sie ihn oder gibt es sie gar nicht. Ist es nicht grotesk genug, dass wir hier auf diesem Planeten gerade einen einzigen, nur noch als niederträchtig wahrgenommenen Kerl fürchten, vor dem schon lange gewarnt wurde, so sagt man jetzt gerne, und wir, hier als Europäer oder Weltgemeinde, wollten und konnten es nicht hören und glauben, Aber wie soll man sowas denn vorher glauben, geschweige denn wissen, wie weit die Abarten eines Menschen gehen können. Und wie akut die Lage wird, wenn alle Hoffnung auf menschliches Verhalten schwindet und man anfängt, mit dem Schlimmsten zu rechnen, bzw., dass das Schlimmste eines Landes sich auch als Schlimmstes auf andere Länder ausweitet. Wenn irgendwann der internationale Kragen platzt und man sich für das Risiko der Wehrpflicht entscheidet mit der Absicht, den Agressor lahmzulegen, also gewaltsam zu entwaffnen und nach Den Haag zu bringen. Wenn es gelingen würde, und beim „würde könnte sollte“ erstirbt dann auch der lautlose Schrei. Der lautlose Schrei musste ersterben, denn als ich mein Schwert bekam als Geschenk, da war mit seinem Gebrauch eine Bedingung verknüpft, die besagte, dass durch den Missbrauch des Schwertes die Waffe automatisch  ihre Wirksamkeit verliert. Keine der Schwertträgerinnen würde das wollen. Und zum Glück hat man, oder habe ich, das Menschsein zusammen mit Männern auf achtungsvolle und schöne Weise erlebt bis zum heutigen Tag, wo tiefe Freundschaften einem das Herzblut am Pulsieren halten. Deswegen lehnt man sich dann nach einem Anfall von unbändiger Wut und Entsetzen, in dem man nicht gefangen werden möchte, lehnt sich also auf das Schwert, und da dient es als Stütze für das Unsagbare, das für sich selbst nach einem Ausdruck sucht. Raphael erzählte mir gestern aus Boston, dass er kaum noch Männer kennt, die keinen Bart tragen, auch er würde einen Bart tragen. Wir sinnierten vor uns hin. Gigantische Schiffe mit Bärtigen schossen blitzschnell durch die geistigen Weltmeere. Die scheinbar unausrottbare Lust nach Heldentum, die in die Irrfahrt des vermeintlichen Alleshabenkönnens führt, das bei der Versklavung der Frau das wohlverdiente Fleischklößchen vermutet. Nicht schön, wenn man so redet, aber muss ja auch nicht schön sein. Da draußen der Himmel ist strahlend blau. Auch in der Ukraine ist Frühling, und auch dort deckt der Himmel die Blöße nicht zu.

 

*Das Blatt zeigt eine Illustration von William Blake, die nach dem Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek auf der Straße gefunden wurde.

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