9/11

Mir ist es auch während der Pandemie schon mal passiert, dass ich dachte: „Wie, schon wieder Freitag“, oder Montag usw., und ich merke, dass sich da tatsächlich eine gewisse Zeitlosigkeit eingeschlichen hat wie ein Nebenprodukt des Hauptdarstellers Corona, weil man ja eine Zeitlang glauben wollte, das alles mit den Masken und so bald aufhören würde, es hat aber nicht aufgehört. Und bei 9/11 habe ich jetzt die Jahre auch nicht mitgezählt, aber da war ich doch kurz erstaunt, dass es schon 20 Jahre her ist. Selbst nach der digitalen Revolution sind ja nicht alle Nachrichten überall abrufbar gewesen, aber von 9/11 wurde niemand verschont. Das allen Menschen gleichermaßen Unfassbare war eingetreten, und klar mussten nicht nur d i e darunter leiden, die die vielen Toten zu beklagen hatten, sondern auch alle Muslime der Welt bekamen zu spüren, dass jetzt etwas infrage gestellt wurde, was schwer zu klären war. Auch in Indien lebten Hindus und Muslime lange Zeit mehr oder minder friedlich miteinander, zumindest, ohne sich totzuschlagen. Die indische Welt ist prall gefüllt mit sichtbaren Seltsamkeiten, und wenn etwas auffällt, muss es schon sehr auffallend sein. Die Detonationen von 9/11 hatten dann allerdings auch dort immense Auswirkungen, und bis heute sind sie nicht wirklich verklungen. Ein Loch, eine Leere, ein Totenort, Ground Zero also gibt davon Zeugnis, und jede/r in der Welt kennt ihn. 20 Jahre her ist das alles, erstaunlich. Wir waren zu zweit in München bei einem Besuch unterwegs, der uns viel bedeutet, weil es dort die Möglichkeit gibt, die Geschehnisse des Außen und Innen auf wohltuendem Niveau zu besprechen, und gelacht wird auch genug. Wir waren gerade bei Fritz in seinem an sich schon atemberaubenden Studio, und er zeigte uns ein wunderbares Urnen-Gefäß, das er für Shelley, den Kater und seine Asche angefertigt hatte, und es wurde sehr, sehr still, als mitten in diese Stille Tamara hereinstürmte mit der Frage, ob wir schon wüssten, was wir noch nicht wussten. Wie dann die ganze Welt den Vorgang immer und immer wieder anschaute, bis man nicht mehr konnte. Das war ganz eindeutig ein Riss in der Menschheitsgeschichte, oder man könnte es auch einen mächtigen Schalthebel nennen, oder eine Erweckungsglocke, oder was auch immer jede/r damit machte. Und ein friedlicher, muslimischer Vater hatte auf einmal sicherlich andere Sorgen als wir, die wir uns den Luxus des Erschreckens leisten konnten. Los ging die Jagd, es gab neue Berufe. Verborgene Fähigkeiten wurden ans Licht geholt, keiner war mehr sicher vor dem anderen. Vieles war natürlich schon vor 9/11 so, aber danach war sehr vieles nicht mehr wie vorher. Wer weiß schon, wie viele Deutsche über deutsche Juden nachdachten, bevor sie öffentlich gejagt wurden. Der mörderische Trieb lebt doch in jedem, oder nicht? Es kommt darauf an, was man mit der Kraft macht, wenn sie sich meldet und die Synapsen zum Zittern bringt. Zumindest sich selbst gegenüber kann man rigoros ehrlich sein. Man kann ja sehen, wohin das führt, wenn zu viele zu lange zu wenig achtsam sind.

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