Sommerloch

Den Begriff „Sommerloch“ fand ich immer schon fragwürdig, denn das sogenannte Loch besteht doch nur aus bewusst entleerten Orten, die auch ohne die in fremde Länder Reisenden und Rasenden gut zurecht kommen. Und die sich quasi auch von den vielen Verstopfungen erholen können, und man findet auch mal entspannt einen Parkplatz in einer Großstadt, sollte man da hinwollen. Auch da ist kein Summer-Lockdown, sondern im Gegenteil, alle Geschäfte lechzen nach Übriggebliebenen, die kaufen wollen, denn ohne Kaufenwollen geht gar nichts. Aber wir PlanetarierInnen wissen jetzt, dass sich seit dem Virus-Eindringling vieles verändert hat. Einerseits geht die Inzidenz  rapide runter, sodass man sich die Ferien-Turbulenzen ungestört vorstellen konnte. Eben nur konnte. Gestern habe ich vier Gespräche mit Freunden in Indien geführt und bemerkte erstaunt in den Stimmen einen fast schuldbewussten Ton, so als täte es ihnen leid, dass es an vielen Plätzen gar kein Covid mehr in Indien geben soll (schwer zu glauben), wir aber offensichtlich von der zuerst in Indien gefundenen Variante D heimgesucht werden. Werden wir heimgesucht? Da jede Angst, die geschürt wird, ihre Macht ausübt, kann man davon ausgehen, dass dies ein weiterer, anstrengender Sommer wird, von Sommerloch zu Sommerabgrund. Obwohl ich nochmal sagen möchte: ich bleibe trotzdem verhältnismäßig frei in der Entscheidung, wie ich es spielen werde. Dass ich entgegen meiner Abneigung gegen Impfen Covid- geimpft bin, hat nicht geschadet. Man kann auch möglichen Abgrundsszenarien vorbeugen, indem man Entscheidungen trifft, die einem vorher nicht ratsam schienen. Veränderungen sind also möglich, das ist gut zu wissen und zu erfahren. Die Persönlichkeit an sich ist ja meist das Interessante an einem Menschen. Mit der Zeit zeichnet sie sich ab, gestrickt aus all den Gedanken, die keiner s o gesehen und gehört hat, wie sie innen stattfanden und finden. Und um den Kern herum dessen, was man ist und sein wird, ranken und bilden sich all diese anderen Dinge, mit denen man das vorhandene Material geformt hat. Das Persönliche also in seiner selbsterschaffenen Sichtbarkeit, wer kann es leugnen. Und so ist er also jetzt hier, dieser Sommer mit den Borkenkäferwäldern und dem wuchernden Dschungelsegen, überall Natur in Hochform.  Und diese Sehnsuchtssucht nach dem, was man unter dem Normalen verstand, und dem der Zauberteppich entzogen wurde, den es auch nur im Märchen gab. Als man noch im Schlaraffenland umherging und behauptete, dort säßen Löwe und Lamm friedlich beieinander, bevor das Kind eines Besseren oder mit einer Dosis Nüchternheit belehrt wird. Ich würde gegen Ende des Jahres auch gerne, sehr gerne, wieder die Indien-Reise antreten, aber es ist derart ungewiss, was da stattfinden kann und vor allem wie ich mich selber fühle mit all den Nebeneffekten, die das mit sich bringt. Ausloten als Meisterprüfung also. Und natürlich kann man auch alleine am Schreibtisch humorvoll vor sich hinlachen, aber das ist doch eher selten. Und ich bin ganz dafür, dass alle auf ihre oder seine Weise den Sommer zelebrieren (wie auch das Frühjahr, den Herbst und den Winter), bevor die neuen Herausforderungen unseren Geist entweder besetzen werden oder tatsächlich beschäftigen müssen.
Das Photo unserer Katzen ist von C.M. Brinker

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