neti neti (weder so, noch so)


Luxus-Sommermantel von Lamotte
Was einem nicht so alles einfällt, wenn Hitze derart ansteigt, dass man sich am liebsten so wenig wie möglich darin aufhält, und da man wenig ausweichen kann, deutet es eher auf gelungenes Schicksal hin, wenn einem auch das Miteinander unter erhitzen Umständen gut gelingt. Oder der Eyeliner verzweigt sich in nicht vorgesehene Rinnsale, und man kann nicht damit rechnen, dass es dem Gegenüber so verheerend vorkommt wie einem selbst. Dabei hätte man einfach die Sonnenbrille, die man nie auf, aber dabei hat, herausholen können, aber nicht nur kam man nicht drauf, sondern dann wäre man jemand gewesen, der dem Gegenüber oder der Gegenüberin mit einer Sonnenbrille gegenüber gesessen wäre, wer will das schon. Hier hätte ich mich bereits in die Ich-Form stürzen müssen, aber ich habe es nicht getan, sondern gehe davon aus, dass es immer ein paar anwesende SpielerInnen gibt, die unterschiedliche Spielarten kennen, was sich auch in der Hitze in bestimmten Gesprächen günstig auswirken kann, denn Denken findet trotz allem ja statt, davon zeugen die Kulturen. Vor vielen Jahren kam ich in Delhi an, wo ich zum Glück bei Freunden übernachtete. Das Thermometer kletterte auf 56 Grad Celsius. Ich wusste gar nicht, dass man sowas überleben kann, aber man kann, obwohl auch viele gestorben sind. Wir waren den ganzen Tag damit beschäftigt, kalte Handtücher auf uns zu legen, für Denken war da kein Raum. Viele vermuten, dass es in Indien durchgehend heiß ist, aber erst Ende März ist es so heiß wie jetzt hier in Deutschland. Wenn der Wunsch nach schattiger Siesta sich in einem vertieft. In Apulien hat mich dann doch überrascht, dass praktisch so ziemlich alle Läden geschlossen hatten, und das stundenlang, eben so lang, wie eine Siesta dauert, mit Duschen und Entzweigung der Eyelinerspuren. Auch kann es vorkommen, dass man sich einen Kleiderschrank voller leichter und anregender Kleidungsstücke wünscht, die trotz aller Luftigkeit noch einen Hauch an Eleganz vorzugaukeln vermögen. Also gut, an so was denke ich eben heute. Und dass sich bestimmte Wüstenstämme unter der gleißenden Sonne eher noch dichter bekleidet haben mit großen Turbanen, statt Schirmmütze und Shorts. Auch in Indien habe ich das bei uns beliebte Sonnenbraten nie gesehen, weil die rassistischen Einstellungen gegen dunklere Haut nicht wegzudenken sind. Bei Hochzeiten wird die Braut hellgepudert, das läuft ganz selbstverständlich und steigert den Wert des Objektes. TouristInnen aus Japan und Korea sieht man in Indien ebenfalls nie bei bewusster Sonnenaussetzung, hier geht es um den Erhalt des Haut-Porzellans. Als günstigen Einfluss habe ich in Indien während krasser Klimaverhältnisse gesehen, dass das Herunterfahren von den Aktionsfeldern in ein eher sitzendes und verlangsamtes Durchhalteprogramm auch sehr kreativ sein kann. Da einem automatisch wenig einfällt, kann man sich mit etwas Einsatz was einfallen lassen, was vielleicht gerade wegen der Entschleunigung einen eigenen Reiz entfalten oder gar zu schlichten und überzeugenden Weisheiten führen kann wie zum Beispiel die, die es in einer alten, indischen Schrift  gibt über d a s, was das Ganze ausmacht: „neti neti“ nämlich, weder so, noch so, eben nicht beschreibbar, und wird auch die Neti Neti Methode genannt.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert