grübeln

Von der Kosmo-Reling seines Wohnsitzes in Zen-La aus starrt der Silver Surfer betrübt in das wuselnde Weltgetriebe. Aber er starrt nicht nach außen, nein, sondern nach innen. Was findet dort statt? Er feiert Abschied von den Aktivitäten seiner Berufung. In zeitloser Bemühung um das Wohlergehen der Menschheit hat er sein Surfboard immer und immer wieder poliert und, seiner dringlichen Mission wegen oft auf der Erde landend, hat er sich freiwillig den Trenchcoat übergestülpt und den Borsalino auf den kahlen Schädel gesetzt, um die Menschen, für deren Wohlsein er ja gekommen war, nicht zu sehr zu erschrecken. Weil er anders war als sie, daran bestand kein Zweifel.Denn das war es ja gerade, was ihn befähigte, den schwierigen Job auszuüben, der ihn gleichzeitig in einer natürlichen Distanz verharren ließ, aber Raum öffnete für Mitgefühl, das rar geworden war auf dem Planeten. Zen-La selbst war nicht befallen worden von dem unsichtbaren Mutanten, aber selbst Shalabal trug jetzt in seiner Gegenwart eine Maske. Der Surfer fragte sich hinein in seine wahrnehmbare Verstummung, was denn nun aus ihm selbst geworden war, und wohin er sein Board von nun an wenden sollte. Diese Welt brauchte ihn nicht mehr. Die Zeitspanne des Weltrettungspotentials war nahezu spurlos vorübergegangen, abgeglitten wie schmelzender Schnee an seiner Leidenschaft, das bestehende Konstrukt unter allen Umständen erhalten zu müssen. Aber auch er hier ahnungslos, ob das sich selbsterzeugende Drama beinhaltete, dass die Kraft der Erhaltung sich immerdar fortsetzen konnte, ohne Raum zu machen für den uroborischen Zustand, der sich hinter den Illusionen verbarg, nur, um auf einmal wieder in Erscheinung zu treten als eindeutiger Vorgang: Zeugung, Erhaltung, Zerstörung, oder besser: Vergehen. Vergehen, entschwinden, einem neuen Konzept Platz machen. Er dachte an Zarathustra, der sich einst aufgemacht hatte, um die Menschen zu lieben, und über den der weise Eremit am Rande des Bergpfades den Kopf schüttelte und ihn einen Narren nannte, ihn aber nicht aufhalten konnte. Erst, als Zarathustra außer Sichtweite war, murmelte der bereits ernüchterte Weise, dass Zarathustra wohl noch nicht gehört hatte, dass Gott gestorben war. Und Nietzsche selbst war seiner Zeit hier wohl auch ein wenig voraus. Auch Gott ist schon öfters mal gestorben, mal für den, mal für jenen, mal für ein ganzes Land. Auch das, was in Tempeln und Kirchen stattfindet, hat sich verändert, oder waren sie schon immer die Opiumhöhlen der Menschheit? Als der Surfer sich bei dem Gedanken „Alles könnte so schön sein, wenn…“ ertappte, hatte er die Kraft, den Satz nicht zu beenden. Er reißt sich aus der Versunkenheit und sieht, dass nach sehr vielen trüben Tagen das helle und ungetrübte Licht vom Himmel strahlt. Und genau in dem Moment, als er sich entscheidet, den Trübsinn abzuschütteln, hört er, wie Shalabal ihn freundlich ruft: „Komm rein zum Speisen, Surfer“, sagt sie heiter, „und grübel net so viel.“

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