Zusammenhänge

Langsam tuckert der Corona-Dampfer zu seinem Stillstand. Wenn es so weitergeht wie zur Zeit in den uns umgebenden Ländern, dann muss er gar nicht viel Anker werfen, sondern kann dahin gehen, wo solche Unternehmungen sich aufhalten, obwohl sie zumindest in einem Netz gesichert werden konnten, um nicht weiteren Schaden anzurichten. Die praktische Wir-Karotte in Zeiten des Notfalls kann getrost von unserem Ich aufgelöst werden, falls sie noch Spuren hinterlassen hat. Unweigerlich kommt dann tatsächlich die Frage, die man an sich selbst richten kann, nämlich: wie war es denn für mich, gleichzeitig weiterhin offen für die Abenteuer und Herausforderungen der Anderen, die nun in Märchen- und Geschichts- und Aufsatz- und Buchform hervorsprudelnden Erlebnisse aus der langen Fahrt. Mittendrin im Drama fiel mir zum Beispiel auf, wie fixiert ich auf das Van Dyck Braun war. Und obwohl ich das Braun als Farbe an sich gar nicht so mag, erschien mir dieses Braun die Quintessenz aller Farben zu sein:  in der Lage, mühelos alle Welten hervorzuholen, die für mich selbst verfügbar waren, und mit einer Spannbreite von tiefem Dunkel bis zu transparentem Hell. Eines Tages entdeckte ich einen Malkasten und war ganz überrascht, wie unterhaltsam und herausfordernd es war, andere Farben zuzulassen und zu sehen, ob ich damit umgehen lerne, also den eigenen Ausdruck damit zu finden. In dieser Zeit, in der sich u.a. die Pandemie in eine Katastrophe zu entwickeln begann, fiel auch die Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten und das damit verbundene, politische Verschwinden des schillernden Narren Trump, der eben nicht verschwunden ist, sondern weiter sein Unwesen treibt. Ich versank eine Weile in der Zeugenschaft des nun endgültig sterbenden, amerikanischen Traumes, dessen letzten Staubzipfel ich selbst noch wahrnehmen konnte, als ich mit 16 Jahren in den Ferien dort lange genug war, um mir nicht nur ein Bild zu machen, sondern selbst im Bild zu sitzen. Denn Dinge und Menschen sprachen mich an, und das Ganze hatte tatsächlich eine Art befreiender Wirkung auf mich, die mich befähigte, neue Weichen zu stellen für meine Zukunftsvisionen, wie auch immer sie geartet waren. In dieser Zeit des Abschieds von Amerika lief in mir die Trauer über das verlorene Indien schon mit, ein weiterer Staubfaden einer hohen Kultur, den mir noch zu erleben vor vielen Jahren vergönnt war.  Kulturen haben es so an sich, dass sie entstehen und wieder vergehen, und immer denken die jeweils Lebenden, das war schon immer da und kann nur so sein, wie wir es erleben. Und über die Erfahrung in Indien habe ich auch gelernt, dass es gleichermaßen schmerzhafte Prozesse bergen kann, wenn man z.B. aus einem historisch schwarzen Loch wie das dritte Reich herausgeboren wurde, oder die Kraft aufbringen muss, ein entstehendes scharzes Loch als solches zu erkennen und zu wissen, dass danach tatsächlich vieles anders sein wird. Wenn also eine große Anzahl Menschen gemeinsam eine Finsternis durchwandert hat, und das jede/r für sich allein. Und gerade in Deutschland kann man sehen, dass es nicht wirklich aufhört, nicht das Grauen, nicht der Missbrauch, nicht die Verschwörungstheorien. Sie sind nur mehr am Rande und werden im Zaum gehalten durch den Schrecken, der sich in Knochen der Erinnerung gesetzt hat. Gibt es Wunderheilung? Man weiß es nicht. In Indien, habe ich heute früh erzählt bekommen, gibt es nun ein Dorf, dessen Heilkräutermann eine Zusammensetzung gefunden hat (haben soll), die selbst schwerkranke Covid-Patienten in kürzester Zeit wieder aufgerichtet haben soll. Das Übliche ist geschehen: die Straßen waren verstopft, tausende von Menschen strömten hinter Polizeikontrollen vorbei über die Felder in Richtung Gerücht. Und wer weiß, vielleicht glaubten einige von ihnen so sehr an die Heilkraft der Kräuter, sodass das Virus von ihnen wich. Wenig weiß man noch über die endlosen Varianten der Zusammenhänge.

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