schleichend

Zum Glück hatte ich mir schon in Indien angewöhnt, lieber ab und zu mal bei Stephen Colbert (zum Beispiel) reinzuschauen, einem angenehm intelligenten, amerikanischen Satiriker, als mich über Narendra Modi aufzuregen. Und das auch noch als fast Einzige gegen eine herbe Menge von BJP Unterstützern, die, ähnlich wie bei Trump, denken, sie sind einem Vorzeige-Patriarchen-Papa begegnet, der für sie alles ebnet, dann aber doch nicht. Nun fühlt sich allerdings, während ich noch mit meinem Ost/West Transit zugange bin, auch Stephen Colbert genötigt, mit dem Virus umzugehen, dieses schleichende Etwas, das durch die Welt wandert und eine Menge Hebel in Bewegung setzt. Es war in Delhi ja nicht weniger präsent, aber ich konnte ein paar Stunden lang Fremdling spielen, der nach Hause fliegt. Im Flugzeug hatten ich und meine nächste Sitznachbarin einen leeren Sitz zwischen uns, das war angenehm und machte den Flug komfortabler, ganz im Sinne des neuen ’social distancing‘, so als wüsste einer wirklich ganz genau, wie und wann sich das gefürchtete Etwas wohin bewegt und sich unter die Großväter und Großmütter schleicht, den neuen GefährderInnen. Ich spreche mit Marilyn in Italien und ihr geht’s so weit, so gut. Manche Länder kann man sich ohne nach außen geöffnete Cafe´s und Restaurants gar nicht vorstellen. Das alles wird eine Menge neuer Erfahrungen geben, die wir alle noch nicht gemacht haben, bei aller Gelassenheit, bei allem Humor, bei allem Rückzug von der Groteske und von der sich ständig erneuernden Kollektivpsychose.  Der Todesengel, in prächtiger Gewandung, rollt langsam, sehr langsam, den mitgebrachten Papyrus aus und formt mit den Lippen die in der Atmosphäre sich bildenden Zeichen: ‚Viele‘, steht da, ‚werden sterben.‘ Da haben es alle verstanden (oder nicht), dass immer und überall Sterbezeit ist, und dass diese jederzeit abrufbare Botschaft aber erst dann inkraft tritt, wenn der Tod eine spürbare Nähe ausstrahlt, das Streifen eines Rocksaumes, ein tropfenweises Zulassen von Wahrscheinlichkeit, dass man nicht immer die Ausnahme bildet, sondern vielleicht eine Karotte ist, die der Eel erreicht und verspeist. Ist der Virus ein Esel? Interessant am diesjährigen Übergang vom Osten in den Westen finde ich auch, dass sich dort so langsam der Götterhimmel leert, während sich hier das Volk gegen die farblose Banalität des Bösen stemmt und um angemessene Worte ringt. Es entstehen Leerfelder, die man nutzen kann.

 


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