Gäste

 

Für ein  „airbnb“ Zimmer in unserem Haus kamen zwei Gäste, die, wie sie uns erzählten, in unserer Gegend anlässlich eines Festes einen Auftritt hatten, oder vielmehr jeweils 4 Auftritte an beiden Festtagen. Wir erfuhren auch, dass sie zwei Kinder hatten, die sich während des Wochenendes  bei der Großmutter aufhielten, und dass sie dabei waren, nach Chile auszuwandern, wo sie bereits Land gekauft hatten und ein Haus errichtet. Eine ihrer Töchter war dort  angemeldet für das erste Schuljahr, die andere war noch zu klein.  Ich dachte: was für ein Lebensplan, in Chile zu leben mit den Kindern, die sich im chilenischen Leben werden einrichten müssen. Auf jeden Fall machten wir uns auf, um die Performance zu sehen. Der heißeste Tag im Juni. Auf dem Platz, inmitten einer Vielzahl von lukullischen Angeboten, erschien ein riesiger Zaubervogel. Hoch oben auf ihm saß unser Gast im prächtigen Gewand, aber wer waren die Füße? Eine Frau mit strohblondem Haar und einer Art Dirndl sprach mich an und lachte in mein Gesicht, aber es brauchte Minuten, bis ich sie mit der Gästin im Haus verbinden konnte. Sie verstreute um die Füße von Passanten herum, was sie ‚Phoenix Guarana‘ nannnte,  das neue Superfood. Sie sprach aus einer anderen Welt heraus, das hatte ich auch in dem Blick des Vogelreiters gesehen: es war die Welt der Gaukler, hier der Begriff in seinem besten Sinn. Wie eine verwunschene und verschwundene Welt schwebten sie langsam durch die Menge, in einem weiteren Auftritt beide auf Stelzen. Die Kostüme waren prächtig und der Zauber ihres Erscheinens meisterhaft. Sie stelzten einfach sorgsam durch die Menge und lösten Staunen und kindliche Augen aus. Einiges in den Archiven ins Vergessen Geratene begann sich zu melden. Pierrot lunaire… Die Kinder des Olymp… La strada…die Komplexität des Spielerischen, die mühselige und unermüdliche Arbeit, die zu der gewünschten Leichtigkeit führt, zur Anregung, zur Verzauberung. In der Pause trafen wir sie für einen Kaffe. Obwohl sehr viele Menschen sie auf ihrem Weg durch das ganze Festfeld gesehen haben mussten, war klar, dass sie nun niemand erkennen konnte, Nur aus der Nähe konnte man noch etwas Glitzer auf der Haut erkennen. Man hatte ihnen einen extra Platz abgesteckt auf dem Gelände, wo sie ihre aufwendigen Kostüme  lagern odereinander anziehen konnten, ein schwieriger und langwieriger Prozess, eine wahre Leistung durch die Mittagshitze hindurch. Auch in Chile werden sie auf diese Weise ihr Leben finanzieren, es scheint bisher ganz gut zu funktionieren. Mich faziniert und erfreut das zu sehen, wie sich Menschen, hier mit künstlerischem Geist, eine ganz eigene Welt erschaffen, an deren Entwicklung und Herzschlag sie kontinuierlich innerlich beteiligt sind, auch wenn es manchmal nur Knochenarbeit ist, um auf der Bühne das Spiel aufrecht zu erhalten. Sie erzählten, dass sie für jede verkörperte Figur einen Namen haben, damit das Entern dieser Persönlichkeit besser gelingt. Und wahrlich, man konnte sie unterwegs in ihrem Spiel als persönliche Personen nicht finden, der fremde Zauber war stärker. Im ‚Living Theater‘, in dem ich vor vielen Jahren gearbeitet habe, hatten wir das Stück „Mysteries and smaller Pieces“. Wir bewegten und durch das Publikum, blieben auch manchmal mit ihnen sitzen, um Fragen zu stellen wie: was würdest du gerne tragen, wenn du anziehen könntest, was du wolltest. Ich sprach einmal mit einem Mann, der lange nachdachte, denn es war ihm gar nicht aufgefallen, dass er so eine freie Wahl hatte. Dann sagte er: einen Kimono, am liebsten würde er immer einen Kimono tragen. Ganz unerwartet können einen Dinge berühren, auf die man nicht gefasst war. Und vieles erlebt man ja auch nur einmal. (Wenn nicht alles).

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