Station

 

In meiner kargen Witzesammlung (3) ist unversehens einer dazu gekommen (4), der mir gefallen hat. Ich kürze etwas: Als der Kosmonaut Gagarin als Erster vom Weltraum zurückkkehrte, wurde er von Chruschtschow eingeladen, der alle Anwesenden hinausscheuchte und dann fragte: „Hast du dort Gott gesehen?“ Gagarin sagte „Ja!“. Chruschtschow gab ihm 10.000 Rubel und meinte, das dürfe keiner erfahren. Dann wurde Gagarin vom Papst eingeladen, der alle hinausscheuchte und ihn fragte, ob er Gott dort getroffen hätte. „Nein!“ sagte Gagarin, und der Papst gab ihm einen ordentlichen Betrag dafür, dass das niemand erfahren dürfte. Auch Kennedy lud Gagarin ein, schickte aber niemanden hinaus, sondern fragte so nebenher, ob er Ihn gesehen hätte. Gagarin bejahte, und Kennedy meinte, das wäre ihm eh egal, denn in seinem Land gäbe es ebensoviele Atheisten wie Gläubige. „Ja“, sagte Gagarin, „aber Sie ist schwarz“. Alle Arten von Toden können hinter Witzen lauern, aber manchmal versteckt sich auch ein Phoenix in der Asche. Die Erkenntnis, bei der man sich erfährt, kann kurz und schmerzhaft sein, vielleicht auch schmerzlos, dann kannte man den eigenen Punkt schon vorher, das hilft. Der Witz beinhaltet ja, dass man merkt, dass man sich Gott als schwarze Frau nicht vorstellen kann, das macht klar, dass man sich etwas anderes vorgestellt hat, worüber man selbst vielleicht gar nicht viel nachgedacht hat. Ich finde, dass Gott und die Liebe zwei Themen sind, denen man nicht wirklich bewusst ausweichen kann und die in Systemen meist die notwendigen Reflektionen und Erfahrungen auslösen können, die es braucht, um zumindest selbst eine Einschätzung gewonnen zu haben, die zu weiteren Richtlinien führen kann. Es ist ja nicht so einfach, sich die Dinge selbst zu beantworten, vor allem, wenn man noch nicht zur Quelle gelangt ist, wo ungetrübte Kenntnisnahme, zumindest potentiell als Ort der Einsicht, vorhanden ist. Was habe i c h mit den Vorgängen in der Welt und im Haus und in der Wüste und beim Mittagessen zu tun? Wann geht mich etwas an? Wo stehe ich im Weg. Wo ist mein Verhalten unangebracht, obwohl ich es selbst als hilfreich einstufe. Und wenn ich denke „super, schwarze Göttin, her damit“, dann wäre der Überraschungseffekt des Witzes verloren, wenn man die Essenz nicht auf die eigenen Erfahrungen übertragen könnte: warum kann jemand nicht sein, wie ich es mir vorstelle oder wünsche (dann wäre doch alles prima), oder ich selbst muss verstehen, warum etwas mit mir passiert, das mich auf die Palme bringt, wie man so schön sagt. Gut, es k9mmt darauf an, wie hoch es einen auf die Palme geschleudert hat, dann benötigt es einige Anstrengungen, um wieder herunter zu kommen. Aber warum überhaupt hinauf? Kokosnüsse? Datteln? Palmwein? Immer wieder findet das Grübeln einen weiteren Lichtstrahl um das schwarze Loch herum. Man denkt, das Licht würde einem hineinleuchten, aber selbst der Laser führt einen manchmal in die Irre, weil man in die falsche Richtung gelasert hat. Manchmal brennt was durch, weil man nicht rechtzeitig heruntergeladen hat. Es kommt auch vor, dass man ohne jegliche Erschöpfung sehen kann, dass das Lösungspotential völlig ausgeschöpft ist. Etwas entspannt sich an der Wurzel des Stammbaums und entlässt die schwarze Göttin aus der Gefangenschaft innerer Geheimgänge. Sie verzichtet freiwillig auf Dantes furchterregende Prophezeiungen und macht sich auf den Weg zu ihren eigenen. In der leeren Raumstation liegen Laub, und Asche, und Federn, die sie freiwillig gelassen hat. Kein Gott weit und breit. Kein Bakschisch. Kein Profit.

 


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