gebären

Neulich hatte ich (mal wieder) die Gelegenheit, kurz und tief ins All hinein zu danken, dass ich die Kraft hatte, in entsprechenden Situationen meines Lebens der Idee zu widerstehen, einem eigenen Kind über meinen Leib den Eintritt in die Welt zu gewähren. Da mein Fenster hier zum Glück keine Beichtkammer ist und ich dem Thema „Abtreibung“ weder entkommen bin noch wollte, fällt mir lieber das winzige Mädchen ein, dass ich vor 23 Jahren auf einer indischen Straße gefunden habe, mit dem ich heute, wenn ich im Westen bin, Mails austausche und Ereignisse und tiefe Verbundenheit, und die ich in Indien, wenn wir unterwegs sind zusammen, als meine Tochter vorstelle. Das Geschenk der Verbundenheit ist also auch ohne Blutsbande möglich. Manche Frauen, haben sie mir erzählt, konnten den Vater ihrer Kinder erkennen, als sie den Mann trafen. Wenn man gerne staunt, kann man das auch hier tun. Hat sich etwas in der Weltgeschichte einmal eingebürgert, muss man, wenn man möchte, früher oder später einmal die Zwanghaftigkeit des „Normalen“ bedenken. Normal ist, auf was sich eine Riesenmenge von Menschen geeinigt hat und nun darauf besteht, als hinge jedermanns Leben grundsätzlich davon ab. Eine dieser schweren Erdspuren, die Menschen hinterlassen haben in ihren Köpfen, ist die Idee, dass eine Frau unter allen Umständen gebären muss, da ihr sonst das Frausein entfleucht und sie zu etwas Unnennbarem wird. Und da Frauen, zumindest in diesem Land, wenn sie allein leben und arbeiten, nicht mehr unter dem Jungfrauenfluch leiden, setzt sich die Frau langsam aber sicher als undefinierte Mitspielerin durch, mit der man rechnen muss. Leider auch für sich selbst oft genug noch als undefiniert, nicht, dass Männer definierter wirken. In den weiblichen Systemen wurzeln nur andere Träume, andere Abenteuer, andere Ängste. Eine Frau, würde ich locker meinen, bei der z.B. die „biologische Uhr“ tickt, scheint mir, wenn auch als Laiin in der Sache, geeignet, Ausschau zu halten nach dem Vater ihrer Kinder. Und wenn ich die Chance habe, eine (hier passt das Wort „gut“), also eine gute Familie zu erleben, ist das ein sehr schönes Erleben, zumindest für zwei bis drei Stunden oder mal zu Besuch über Nacht. Was mir am Herzen liegt ist, dass der Bann, den das patriarchale Denksystem auf den Geburtszwang gelegt hat, von den Frauen selbst verstanden und aufgehoben wird. Die Frau muss nicht, nur weil sie kann, ein Kind in die Welt setzen, vor allem, wenn ihr gar nicht danach ist, sondern sie eher eine andere Route vor Augen hat, auf der sie ihren Nachen durch den Großen Strom navigieren möchte. Das ist sicherlich richtig, dass viele Frauen, die das Kind gar nicht wollten, dann doch noch eine ordentliche Mutter geworden sind, oder, wie mir Frauen gerne gesagt haben, das käme ja automatisch mit dem natürlichen Vorgang. Schon möglich, aber ich habe ja nichts gegen Kinder, sondern habe nur andere Prioritäten gesetzt. Insofern habe ich mich aus dem Rad der Ahnen und der Familiengestaltung und der Gesellschaftsnormen herausbewegt und lebe und visioniere mit Anderen zusammen die neuen Wege des Zusammenseins. Hier ist der Geschlechterkampf nicht das führende Element. Hier sucht man nicht immer nach dem Anderen, der einen ergänzen oder ernähren kann. Ich erinnere mich, dass ich mich, soweit das zurückreicht, schon immer gerne als einen Ort fühlte, an dem ich zuhause bin. Wer hätte gedacht, wieviel unermüdliche Arbeit es braucht, um auf das, was man zu wissen und zu sein vermutet, eine entsprechende Resonanz zu suchen und zu finden. Natürlich möchte man, wenn man so vor sich hin lächelt, gerne mitteilen, was man als sich selbst erlebt, bevor einem klar wird, dass die meisten Menschen genau dasselbe tun und empfinden, da es ja ihr ureigenes Leben ist. Der Wetterexperte wird bei einem poetischen Satz ertappt: „Die Wolkendecke“, sagt er, „hat die Nacht warm gehalten.“

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