dürfen

Das Bild ist ein gutes Beispiel dafür, was man (gar) nicht (mehr) darf und unter Umständen auch nicht dürfen sollte. Ich habe das Photo des Werkes eines Künstlers, dessen Namen ich nicht mehr weiß, auf der Art Cologne im Jahre Soundso aufgenommen und es landete auf meinem Desktop bis heute, von wo ich es einschmuggle, obwohl es leider auch noch schlecht belichtet ist, denn ich habe es vom Monitor noch einmal abphotographiert und bin keineswegs begeistert über die Wirkung, obwohl ich es für meine Wahrnehmung ganz gut finde, dass die beiden Hälften, die beide im Original schwarz sind, nun eine hellere Seite haben. Ich habe mich auch gewehrt, als mal jemand aus dem Bekanntenkreis dachte, es sei o.k., eine Zeile aus einem Gedicht von mir zu nehmen und es als Titel für einen Workshop zu benutzen, ungefragt natürlich. Viel hängt von der Kommunikation ab, wenn das eine Möglichkeit ist. Oder meiner eigenen moralischen Entscheidung. Oder wie heute, wenn ich mich mal  damit auseinandersetze, wo Dürfen und Nichtdürfen eigentlich anfangen und aufhören. Das Bild oben habe ich, wie gesagt, heute früh auf meinem Desktop wieder entdeckt, weil mir auch klar wurde, dass es vorbei ist mit dem lockeren Rein-und Rausnehmen der vorhandenen Weltobjekte oder Weltgesichter, so, wie ich mich auch meistens gegen Smartphone-Selbstverständlichkeiten wehre und zumindest gefragt werden möchte, ob ich bereit bin, meine momentane Form-Kopie ins Außen zu senden. Damit stoße ich in Indien auf totales Unverständnis, da gerade die völlig enthemmte Lust am Selfie auf Volksebene tobt. Natürlich strömt immer bei rigorosen Einstellungen auch ein Hauch freier Geist mit hinaus, das ist bedauerlich. Aber was ist ein freier Geist? Und wie frei zeigt sich der Geist, wenn er oder sie auf einen weiteren freien Geist trifft? Erkennen sie sich, oder würde vielleicht gerade da erst im Dialog die ernsthafte Arbeit beginnen bis zu einem Punkt, der erst noch erfahren werden muss, dass „sie sich erkannten“. Wie und durch was erkennen sie sich? Sagen wir mal, dass sie sich selbst sind, aber dann sind sie ja gerade völlig unterschiedlich. Wie kommt es von diesem notwendigen Unterscheiden zu einem Sich-Erkennen? Ich zum Beispiel mute mich nicht nur gerne zu, wenn ich es für angemessen halte, möchte aber auch, dass andere mir etwas oder sich selbst zumuten. Auch wenn ich bestimmten Zumutungen gegenüber keineswegs offen bin und mich selbst im Zumutungsfeld korrigiere, verbindet sich der Begriff für mich mit etwas Positivem. Manchmal steht man allein da und muss sich aushalten. Neulich war ich in guter Begleitung in Wuppertal im Skulpturenpark von Tony Cragg und wir schauten gerade auf die stolzen Eintrittspreise zu der Ausstellung, als ich rechtzeitig sah, dass es Markus Lüpertz war, der dort ausgestellt wurde. Keinerlei Zweifel, dass mich niemand hätte überreden können, diese Ausstellung zu besuchen, und meine entgrenzte Empörung über diesen Kerl platzte haltlos aus mir heraus. Wenn ich gezwungen werden würde, einen einzigen Begriff zu nennen, der für mich persönlich alles beinhaltet, was in der Kunst nicht vorkommen darf, dann würde ich gerne „Lüpertz“ sagen. Aber zum  Glück werde ich nicht gezwungen, und die Frau an der Kasse war wirklich super. Sie wollte mir den Saal mit den furchterregenden Gestalten ans Herz legen, weil man ihrer Meinung nach das Gefühl vermittelt bekam, in einen „Olymp“ zu treten. Den Lüpertz-Olymp habe ich mir erspart. Die Frau an der Kasse war sehr entspannt. Sie mochte einen anderen Künstler überhaupt nicht, den ich dort auch gesehen hatte und gut fand. Eigentlich war es sehr befreiend, dass ich einerseits mal hemmungslos meine sehr rigorose Meinung über diesen Mann sagen konnte, aber andrerseits war es eine angenehme Erfahrung, weil es „gut“ ging. Nun hat dieses Erleben in mir selbst zu der Frage geführt, was ich von radikalen Aussagen halte. Und will ich es wirklich wissen, um unter Umständen auch mich selbst mit neuen Einstellungen zu überraschen, wenn es sich zeigt, dass die eigenen etwas eingefahren sind,  dann muss ich mich erst einmal auf komplexe Gedankengänge einlassen, die zeitaufwendig sind, und es muss etwas in mir berührt haben, und es kann mich unter günstigen Bedingungen von der gnadenlosen Freiheit des Dürfens in ein Bedenken führen darüber, was ich wirklich will und vor allem, ob ich etwas von mir Gewolltes dann auch kann.

 


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