einschleichen

Als ich mit der Pinselung dieses Bildes fertig war, musste ich herzlich lachen.  Hätte man mir den staatlichen Auftrag erteilt, die psychische Momentaufnahme „der Deutschen“ bildlich darzustellen, hätte ich den Ausdruck vor lauter Anstrengung wahrscheinlich nicht so passend hingekriegt. Man kann natürlich in diesen Ausdruck alles, was man möchte, hineininterpretieren, und jedes Wort würde nur ausdrücken, was man mit einem Schlag sieht. Es käme also nur auf die persönliche Note an, die man dem Zustand geben würde. Ist es ein am Morgen erschreckt aufwachender Mensch, der ahnt, dass es auch auf den Fußballfeldern bald keine Helden mehr geben wird. Was ist los? Alle sehen so gleich aus, und will man mal z.B. sehen, wie die Menschen aus Uruguay spielen oder aussehen, so weiß man gar nicht, wer wirklich aus Uruguay ist. Jetzt tragen alle die Kniestrümpfe über den Knieen und heben die rechte Hand hoch, wenn sie am Ball sind, und ich habe gehört, dass keiner weiß, warum sie das machen, es hat sich so eingeschlichen. Vieles schleicht sich ein, und wenn man die Einschleichung nicht rechtzeitig bemerkt, kann daraus ein verdunkelter Film werden. Hat er denn nicht recht, der Horst Seehofer, und spricht irgendwie vielen aus der zögerlichen Seele, dass er die Ausländer nicht mehr ins Land lassen will. Da man es nur zu gut verstehen kann, kommt es hier nicht nur auf Menschenkenntnis, sondern auf eine bereitwillige Bewusstseinserweiterung an, die nur förderlich ist, wenn sie aus dem eigenen Reich der Gedanken entspringt. Das geht schnell, dass man zu etwas etwas sagt. Völlig hintergrundsleere Meinungen werden permanent ausgetauscht, sie sind das Salz der Alltagskommunikation. Auch die digitale Entwicklung bietet keineswegs die Reflektion innerer Vorgänge, im Gegenteil. Ich muss aus mir herausgehen, um dort hineinzugehen, in das Zweitreich meiner Ich-Vorstellungen. Natürlich wacht hier vor allem der Bürger erschreckt auf. Die Frau, die oft schon „Mutti der Nation“ genannt wurde und Großartiges leistete, erschreckte die Söhne dann doch mit ihrer so ganz anders gearteten Machtausübung, mit natürlicher Souveränität ausgestattet auf der Basis von guter Intelligenz und einem hohen Grad von Verlässlichkeit. Meine Lobeshymnen auf Angela Merkel klingen auch schon wie ein Abschied. Die Söhne sägen Mutti also einerseits erschreckt, andrerseits lustvoll ab, denn hier tobt immer noch auf geradezu unsterbliche Weise die alte Saga vom unvermeidlichen Schicksal, wo selbst inmitten der Schlacht der Gott der Liebe (Krishna in der Bhagavad Gita) zu Arjun sagt, er könne seinem Schicksal nicht entrinnen und muss töten können, auch wenn es die eigenen Verwandten sind. Man möchte doch manchmal gerne wissen, wie so eine missliche Idee/ Mist /cum Religion entstanden ist. Wer hat was warum und wie und wo gedacht, und wer hat danach in den niedergeschriebenen Geschichten nochmal nach eigenem Gutdünken reichlich nachgebessert, bis es zu uns als unumstößliche Wahrheit kam und in den Kirchen und Tempeln vorgebetet werden musste. Da gibt es nun mal keine Zeugen mehr. Es gibt nur Systeme, Methoden, Lehren, Versuche, das Ganze irgendwie zu erfassen, während man da ist. Das Land geht durch eine große, menschliche Krise. „Wir schaffen das“ ist im Erschrecken über die Realität des Alltags schon untergegangen, es geht um den Einzelnen und die Einzelne, und ob und wie sie es schaffen, mit dem Hereinströmen der Flüchtigen umzugehen, den Fremden, die gar nicht bei uns sein wollen, sondern zuhause, wo es das meist nicht mehr gibt. Für alle wie immer ein „Be here now“ mit großzügig flutendem Sonnenlicht. Im Wald leuchten die Himbeeren, auch unsere schwarzen Johannisbeeren sind schon reif.

 


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