wandern

Neulich habe ich den Begriff „Weg des Nicht-Wissens“ gehört, das hat mich angesprochen. Wie wenn das Spielbrett sich kurz um die eigene Achse dreht, und man stellt fest, dass man genau an der Stelle gelandet ist, wo man hin wollte. Wo man hin wollte, wird einem eigentlich jetzt erst klar, denn es hat wenig mit dem Ziel zu tun, aber alles mit dem Weg. In diesem Fall weiß man vom (verhältnismäßig) lange gegangenen Pfad, dass es nie einen Moment geben wird, wo eines Menschen Wissen abgerundet sein kann. Das akkumulierte Wissen kann gute Dienste leisten, kein Zweifel, aber Wissen per se kann es nie sein, da an jeder Ecke Anderes von Anderen gekonnt und gewusst wird, was einem selbst nie zugänglich sein wird. Am besten, man lässt das wissensvoll Erworbene durch sich hindurchströmen, damit es, wenn benötigt, zur Verfügung stehen kann. Ansonsten ist es angebrachter, keine zu fixierten Archive damit aufzubauen, damit man nicht zu den Waffen greifen muss, um sie zu verteidigen. Da dachte ich, dass es doch eigentlich viel einleuchtender ist, vom Nicht-Wissen auszugehen, denn dann kann man sich, wenn man mal was weiß, selbst daran erfreuen, muss auch nicht immer darauf bestehen und kann sich vom Fleck rühren, wenn Beweglichkeit in der Wahrnehmung angesagt ist. Ich denke allerdings auch, dass man im Fahrzeug des beweglichen Geistes einiges Material beieinander haben muss, um eine gewisse Stabilität zu haben während der Reise. Als ich aus Indien zurück kam und eine Weile bei der Kleiderfirma gearbeitet habe, hatte ich einen Kollegen gegenüber am Schreibtisch sitzen, dem ich ab und zu aus meinem mir schlicht vorkommenden Leben etwas erzählte. Er schrie auf und flüchtete, wenn auch mit Humor, aus dem Raum. Für ihn war die Navigation durch meine Erlebnissphäre schwindelerregend. Damals wusste ich noch nicht, was „zumuten“ ist. Und selbst wenn man weiß, was es für einen selbst ist, kann man sich dafür oder dagegen entscheiden. Nicht-Wissen ist nicht dasselbe wie „Unwissen“, so, wie Nicht-Tun nicht dasselbe ist wie Nichtstun. Sehe ich meine Ich-Ebene als wissensvoll an, bewege ich mich eigentlich ständig in persönlichen Irrungen und Verwirrungen, die vorprogrammiert sind, da ich dann dem Wissen der Anderen nicht wirklich geöffnet bin. Gehe ich aber locker von dem eher realen Nicht-Wissen aus, kann immer noch was Überraschendes dazukommen, und man kann dem Geist eine Liebe für Vielfalt und Unterscheidungen beibringen, oder es wird einem vom Geist beigebracht, who knows. Auch liegt im Nicht-Wissen eine größere Beweglichkeit, kreativ mit dem Augenblick umzugehen. Auf dies und jenes muss man dann auch verzichten können, aber ist es wirklich Verzicht. Vor Kurzem ist mir auf der Suche nach Emily Dickinson ein wahrhaft kleines Büchlein entgegen gefallen von Epikur über das Glück. Einerseits war er nicht gegen das Schlemmen und Genießen, andrerseits bat er hier auf der aufgeschlagenen Seite einen Freund, ihm doch etwas Käse zu schicken, da ihm das Essen von nur Brot und Wasser vielleicht doch etwas langweilig vorkam. Man muss wissen, was man selbst unter Unterhaltung versteht, und dass es auch erquickend sein kann, sich einzuschränken, oder zum Beispiel von dem Wenigen, was immer als Bestes vorhanden ist, sich auch für das einem als das Beste vorkommende zu entscheiden. Das kann auch das Fasten sein. Stimmt, es ist Ramadan zur Zeit für die Muslime. Was müssen sich da für innere Kämpfe abspielen! Wahrscheinlich ist es auch hier so, dass, wenn ich sorglos hineingehe in den Monat, ohne zu wissen, ob ich es schaffe, es wahrscheinlich leichter fällt als sicher zu sein, dass ich es mit meinem Willen hinkriege. Sieht so aus, als stünden die Tore des Nicht-Wissen weit offen. Das, was ich weiß und wissen muss, passt in ein Bündel. Dann noch den Stab und die Wanderschuhe. So, wie der Lama mal in Kathmandu zu mir sagte: Ihr (er meinte die klugen Foreigners) könnt mit dem Helikopter an den Gipfel fliegen, soviel ihr wollt, aber irgendwann müsst ihr doch den Fußweg zum Gipfel nehmen. Wie wahr!

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