Aufgaben

In der „Zeit“, die wir abonniert haben, gibt es in jeder Ausgabe eine bestimmte Seite, bei der ich schnell weiterblättre, weil das, was ich da (flüchtig) erfasse, mich verstimmt. Es ist das große Photo eines Tieres, unter dem der unveränderte Text heißt: „Du siehst aus, wie ich mich fühle.“ Was soll das, denke ich. Alles in der Welt Sichtbare kann und wird auch für eigene Zwecke benutzt, und hier wird das Tier benutzt, um zu überprüfen, ob ich mich manchmal so fühle. Gut, nett gemeint, vielleicht bin ich kleinlich an dieser Stelle, aber so vieles ist nett gemeint, ohne seine dunklen Keller zu offenbaren. Und was ist hier gemeint? Nur an oberflächlichster Stelle kann jemand so aussehen, wie ich mich fühle. Ja, wie fühle ich mich denn? Die Frage muss erst einmal hervorgeholt werden mit einer gewissen Ernsthaftigkeit, will man nicht von selbstverständlichem Nichtwissen ausgehen. Das Gehirn kann dann die Suchscheinwerfer einschalten, ohne die man sich in den inneren Gewölben nicht zurechtfindet. Man kennt die Bilder von Eremiten mit Laternen, nun entwickelt zu einem Laser-Stab, obwohl auch der unsterbliche Satz „be a lamp unto yourself“, also „sei dir selbst eine Lampe“, kaum zu übertreffen ist in seiner schlichten Anweisung. Wohin leuchtet’s? Ach ja, das Gefühl. Ich denke also nicht, zum Beispiel, dass die Katze so aussieht, wie ich mich fühle, sondern ich schaue nach, was meine Gefühle sind, ohne die Katze als Projektionsfläche zu nehmen. Oder Menschen, die ständig sich spiegelnden und sich vergleichenden Wesen, wir, die wir die planetarische Architektur durch unsere Projektionen erst erschaffen, können auch erst Verantwortung übernehmen, wenn wir uns klar werden über das Ausmaß unserer Projektionssucht, mit der wir ständig unterwegs sind, so, als könnte jeder von uns isoliert vom Anderen leben und gleichzeitig den eigenen Augen trauen, die das Gesehene dem Gehirn mit schnellen Kommentaren zuführen. Die Isolation ist ja das Geschädigte, das einem manchmal zu einem erschreckenden Bild führen kann, wenn man ein ganzes Volk, um es mal eingeschränkt zu nennen, als ein Volk von Traumatisierten sieht. Bei allem Wahrheitsgehalt kann auch das nur ein Blickwinkel sein, wenn auch ein tiefer, der nicht übersehen werden darf, will man tatsächlich die Arbeit auf sich nehmen, aus dem Weg zu räumen, was einem den Weg blockiert..zu was? Ich, als Fan des Weltendramas, finde es ja großartig, dass alle sich die Gefühle leisten können, zu denen sie in der Lage sind, sonst gäbe es ja weder Rumpelstilzchen noch den König von Sibirien, denn jeder ist beschäftigt mit dem, was er kann. Aber wer sagt, es gäbe unendlich viele Gefühle, die jeder beliebig loslassen kann, ohne zu schaden? Vielleicht gibt es nur eines, das wohltuende Wirkung hat und hinter dem alle her sind, und das vielleicht nie zu einem gekommen ist und nie erfahren wurde, oder zu wenig, oder nicht genug, oder was auch immer das Muster ist, das in den Teppich gewebt wird, der einen tragen muss über die Zwiebeltürme hinweg. Vielleicht hat ja das Sein tatsächlich nur eine Quelle, und jede/r ist ihr Ausdruck, verbunden mit dieser geradezu ungeheuren Freiheit  die sich als Verantwortung entpuppt, deren Spiel-Raum der innere Vorgang ist, der nein, nicht (nur) abhängt vom sogenannten guten Schicksal und den oft als mehr oder weniger günstig gesehenen Bedingungen, sondern jede/r hat das innere Spielfeld zur Verfügung und kann die ihm oder ihr eigenen Künste und Fertigkeiten entfalten für den jeweiligen Umgang mit dem Vorgefundenen. Alle Geschichten sind unendlich lang, bis man da angekommen ist, wo man herumsteht oder herumsitzt. Dann gibt es neue, spannende Aufgaben.

 

 

 

Wenn ich, veranlasst durch was auch immer, hinuntergehe in die dunklen Gewölbe des Traumhaften


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