schmerzen

 

Ach ja, jetzt erinnere ich mich, wie es dazu kam, dass mir der Samstag so geeignet schien, mich gedanklich in phantasievolle Konstrukte zu stürzen, was dem inneren Reichtum des Haushaltes auch nicht geschadet hat, denn es war die adäquate Handhabung des Umfeldes, aus dem das permanente Dröhnen des oder der Rasenmäher kam. Menschen, die selbst den Rasenmäher führen, haben andere Erlebnisse als die, die nicht nur zuhören, sondern auch erkennen müssen, dass hier nur ein aktiv gestalteter Fluchtweg ins Abseits einen selbst noch unterhalten kann. Hält man zur Abwechslung die schon Donnerstag erschienene „Zeit“ für ein geeignetes Ablenkungsmanöver, (also die Unterhaltung durch äußere Anregung) für das man noch keine Zeit gefunden hatte, und bleibt an einem Artikel hängen, der einem interessant scheint, gelingt der Umschwung auch nicht viel besser. Zuerst fischt man also sorgfältig einen Teil heraus mit dem Artikel, den man zuerst lesen möchte, weil der innere Kopf das Thema schon abgenickt hat, jaja, sehe ich auch so, wir sollten die Tiere nicht vermenschlichen und die Menschen nicht vertieren (eigene Formulierung). Und dass die Unterscheidungen grundsätzlich interessanter sind, ist mir auch schon aufgefallen. Ich blättere also weiter, wo ich etwas noch nicht weiß, das kommt schnell. Es geht um die Beiträge von Tausenden von Teenagern, die auf Instagram Photos ihrer Selbstverletzungen posten. Einerseits wird es auch von Psychologen u.a. als ein Resonanzfeld für Schmerzen gesehen, kann also behilflich sein als Schmerzhilfegruppe. Kann aber auch, eben weil so viel Resonanz kommt,  zu weiteren Verstörungen  und zu Suiziden kommen. Auch hier scheint erst einmal die Form ziemlich neu, die außer dem ungehörten Schmerz auch noch andere (z.B. narzisstische oder exhibitionistische) Störfaktoren mit sich bringen kann , denn ja, nach dem Erscheinen von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ gab es wohl auch eine  Selbstmordwelle. Dennoch scheint sich eine gewisse düstere Begeisterung für Narben und Wunden breit zu machen, vielleicht auch, weil über den Schmerzensweg eine gewisse Dopaminausschüttung gewährleistet ist. Aber was steckt da noch alles dahinter außer der Lust an neuen Wegen der Romantik. wenn junge Menschen mit der Rasierklinge auf ihren eigenen Knochen treffen müssen, um etwas zu spüren, und dann im Krankenhaus noch ein Wunden-Selfie machen für ihren Instagram-Account, wo eine riesige Truppe von Gleichgeritzen nach neuen Schreckensnachrichten süchtelt. Gut, wenn es nur Sturm und Drang ist, sollten trotzdem auch Andere auf Zeichen achten, sodass das Leben zumindest noch weiter geht, bis man etwas mehr durchblickt. Wie achtet man auf Zeichen? Auch viele Durchtätowierte sparen schon auf das nächste Design, solange noch Platz ist. Der Tätowierer muss das Spüren liefern, dafür wird vieles gerne in Kauf genommen. Der künstlich aktivierte Schmerz wird durchlebt und bringt dann die gewünschte Entspannung, in der sich das Glückshormon vorübergehend tummelt. Aber wo liegt der eigentliche Schmerz, der immer schwerer zu erkenne ist, da immer mehr drübergeschminkt und gelächelt wird. Wenn da noch ein halbwegs liebevoller und vernünftiger Kontakt mit dem Zuhause existiert, ist immer noch alles möglich. Aber was, wenn er nicht mehr da ist, obwohl es an Esswaren und Kleidung und eigenem Zimmer nicht mangelt? Wie gehen Menschen in den Häusern, die man „Privatsphäre“ nennt, miteinander um? Die jugendlichen Mörder, die mit den Waffen ihrer Eltern unbeschreibliches Unheil anrichten, werden meist als so unauffällig beschrieben, dass sich kaum jemand an sie erinnern kann. Bis sie ihre Umgebung dazu zwingen, sich an sie erinnern. Bei dem neuen Fall in Amerika sagte wohl der junge Mörder, dass er vorhatte, sich selbst zu töten, aber keinen Mut dazu hatte. Es ist schwer, als Mörder von 10 Menschen durch das Leben zu gehen. Das entsetzte Schweigen führt dann wohl oft in die Blumen-und Kerzenläden.

Auf meinem gepinselten Bild kann man, wie meistens von mir gewünscht, sehen, was man möchte. (Was, und wie ich sehe, kann ich leider nicht übertragen.) Das kleine Bild rechts zeigt eine Wunde, die ich vor Kurzem photographiert habe. Erst heute habe ich gesehen, dass sie aussieht wie ein Auge.


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