Gebilde

  

Meine gepinselten Gebilde, die sich wolkenähnlich durch den Raum bewegen, sind für mich neben der Annäherung der Worte an das oft schwer zu Formuliurende eine weitere Möglichkeit, das vor allem in Indien auf eine bestimmte Weise kultivierte Sehen vor die Augen zu bringen. Überall fließender Partikelstrom, der sich gemäß der verschiedenen Wahrnehmungen kristallisiert in das (verhältnismäßig) real Erscheinende, das sich kontinuierlich auflöst und wieder zusammenfügt, so, wie einen das Gesehene in einer Wolkendichte erschüttern und berühren kann, und einen die letztendlich geringen Unterschiede zwischen dem Fließenden und dem sich in Form gebildet Habenden ahnen lässt. Natürlich kommen nicht umsonst von hier (aus Indien) die befreienden Gedanken einer inneren Erkenntnis des Auflösbaren eigener Vorstellungswelten (wenn als solches erwünscht und für erstrebenswert gehalten), sondern es ist auch (noch) das Wehen der unvermeidlichen Tücher und die jedes Mal neu zurückgelassene Form-und Farbgebung des Monsoons, vielleicht auch das hingekauerte, aufmerksame Sitzen im Zeitlosen, so als hätte es nie den inneren Aufruf zu anderem Tun gegeben als den des Seins an sich. Jedem ist erlaubt zu sehen, was durch eigenes, inneres Gebildetwerden gesehen werden will oder kann. Ich liebe den beweglichen, sich wandelnden Blick, mal verdunkelt, mal erhellt, mal infrage stellend, mal grenzenlos wertschätzend, einmal als fester Stein, dann wieder ganz Transparenz und Durchlässigkeit. Es gibt eine Einstellung, die ich bei aller Beweglichkeit des visuellen Schauens für konstant halte, vielleicht, wie eine konzentrierte Wesenhaftigkeit, die aus sich selbst zeugt. Von diesem Ort her erfreuen sich mein Geist und meine Hand an der einerseits arglosen, aber hochkonzentrierten Ausübung des Pinselns in seinen sich mir offenbarenden Selbstverständlichkeiten.
Die Gestalt des Mannes, die ich hinzugefügt habe, bräuchte eigentlich keine Erklärung, aber der Anekdote zuliebe will ich erzählen, dass ich erstaunt war, ihn eines Tages in diesem Hof  von weitem zu entdecken, denn ich bzw. wir alle kennen ihn, und er war hier aus einem gemieteten Zimmer mit gemeinsamem Bad und Toiletten heraus gerade dabei, sich in Shiva zu verwandeln, denn damit verdient er sein Geld. Er begibt sich vollkommen hinein in das Bild und wird geschätzt, da er es ernsthaft betreibt und nicht spricht, aber jederzeit bereit zu Shiva-Darstellungen ist für ein kleines Entgeld, und er wird häufig smartphonebombardiert. Immer mal wieder sieht man einen, der ganz hinter dem Gott verschwindet, wer weiß schon, wohin.

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