drin

Von dem morgendlichen Hinausgehen, die breiten Stufen hinunter zum Wasser, vorbei an den Priestern, die ihren Tag vorbereiten für die Pilger, unterwegs mit denen, die um diese Zeit ihre Runde drehen, kenne ich das Gefühl, das sich dann einstellt: etwas verwandelt sich, man entert ein „Drin“. Ich kann ruhig „man“ sagen, denn ich teile dieses Mysterium mit allen Rundgängern. Immer ist es real und wahr geblieben, dass die Umwandlung einen verwandelt. Hier ist eine zeitlose, immer wieder aufs Neue aufgeladene Ruhe und Energie, an der alle Anwesenden aktiv beteiligt sind, denn sie sind hoch konzentriert auf ihr Tun, das sich für uns alle außerhalb des täglichen Laufs abspielt. Viele kommen in die Runde, bevor sie ihren Laden aufmachen, sie tanken sich auf mit Stille für den Sturm und den Staub des Bazaars. Manchmal lagern die BewohnerInnen halber Dörfer herum. Oft geht es um die Toten, deren Asche in den See geschüttet wird. Asche ist pur, sie ähnelt dem Menschen nicht mehr. Manchmal werden auch an bestimmten, dafür vorgesehenen Stellen Geister ausgetrieben, da taucht schon mal der Ton des Irrsinns auf und verklingt wieder, wenn sie ihn mitnehmen. Sonst liegt über allem eine erfrischende Ruhe. Doch es sind ungeheure Dinge geschehen. Die Quelle des Wassers ist versiegt, die einstige Tiefe verflacht. Einmal sind alle Fische und Schildkröten aus Mangel an Sauerstoff gestorben, dann gab es gar kein Wasser mehrt. Bagger kamen zum Graben. Neue Systeme wurden erfunden und eingesetzt. Früher gab es mal einen Ausdruck dafür, den ich immer so treffend fand: „duplicate maya“, meint „das Duplikat des Illusionären“, Illusion hier als alles Manifeste gemeint, die inhärente Täuschung, der wir unterliegen, indem wir das, was wir sehen, für real halten. Und doch atmet der Ort etwas aus, das ist jenseits der architektonischen Strukturierung: sein eigenes, unzerstörbares Wesen, das sich immer wieder in neuen Verfassungen zeigt. Denn auch die Menschen würden sich nicht so darum kümmern, wenn sie sich nicht angesprochen fühlen würden auf eine ganz bestimmte Weise. Vor allem das Einfache und das Offensichtliche kann einerseits geteilt werden, aber gibt auch den Genuss der Art, wie man es selbst empfindet, und was der Ort durch meinen inneren Zuspruch mir ermöglicht zu sein.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert