photographieren

Man hält es wirklich kaum mehr für denkbar, dass das Photographieren um den See herum verboten war bzw ist. Grellgelbe Schilder zeugen immer noch von ernsthaften Hinweisen auf das Bild-nehm-Verbot, in Hindi und Englisch. Da hat sich was nicht klammheimlich, sondern offensichtlich gegen die Brahmanenkastenmoral unwiderruflich durchgesetzt. Eigentlich wird nur noch photographiert, die Puja (das religiöse Ritual), ist vor allem für die aufsteigende, ferienmachende Mittelklasse nur noch Nebensache. Ein Zeitungskolumnist der Times of India meinte mal, die Inder würden auf einmal von einer Sucht getrieben, keine Minute ihres Lebens undokumentiert zu lassen. Wer kann das nicht sofort verstehen, wenn bisher vor allem die Existenz der Gottheiten und Götter dokumentiert wurde, die das Familien-und das Eremitendasein überlagert und bestimmt haben. Daher kann der Selfie-Stick durchaus als Zugang zum persönlichen Ich gesehen werden. Wow! Das bin ich! Ich bin da! Selbst ein Selfie machen! Ein Selfie sein! Die Brahmanen hatten noch andere Einstellungen über Kameras, als die am Ufer erschienen. Sie waren überzeugt, dass alle Foreigeners wild darauf waren, von indischen, im Sari badenden Frauen unzüchtige Bilder zu machen. Noch habe ich keinen in Indien herumwandernden Foreigner gesehen, der einen gierig getönten Blick nach indischen Frauen geworfen hätte. Eher noch auf das Blättern in „Lonely Planet“. Zeitlich noch weiter entfernt lebte die Einstellung, dass Photographieren tatsächlich etwas wegnimmt, sodass dadurch die Substanz der photographierten Dinge immer weniger wird, bis nur noch ein gespenstisches Skelett übrig ist. Es gibt aber Blicke, die geben, und Blicke, die nehmen. Es gibt mehr oder weniger sehende Augen. Manche Blicke und Bilder geben dem Daseienden Würdigung. Es kommt auf die innere Strahlung und auf die Lichtverhältnisse an.


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