fassen ( ) ?


nahtlos
Vor einem Jahr, genau um diese Zeit, erlag ein Mensch, der mir sehr nahe war, einer tödlichen Krankheit. Zuerst schien die körperliche Befindlichkeit auf etwas hinzudeuten, etwas Vorübergehendes  im Raum des Heilbaren, bis klar wurde, am zweiten Juni, dass das nicht so war, alles ging sehr schnell. Noch zwei schwer zu ertragende Wochen ging es weiter ohne den geringsten Strohhalm, dann hatte ich das Glück, beim letzten Atemzug anwesend zu sein. Das Unfassbare ließ sich nicht fassen. Hat es bis heute, ein Jahr später, eine Fassung erhalten? Ich sehe sie nicht. Vielleicht kommt der Tag, wenn man das Gefühl hat, abschließen zu müssen, aber was abschließen? Die Geschichte, oder die Erinnerung, oder die Trauer, oder den Verlust? Oder gar nichts abschließen, gibt es doch Orte, die nur für uns selbst bestimmt sind, unsere Quelle eben, an der das Geheimnis die undurchdringliche Sphäre bildet, in der nur der eigene Geist seine Geburt und Belebung erfährt, oder das natürliche Streben nach Vollkommenheit, von dem Hippokrates sagt, dass es zu Ergebnissen führt, die das Leben schmücken. Das Inspiriertsein davon also, vom unerschöpflichen Reichtum des Anwesenden, dem immer nur ein gewisser Zeitraum zur Verfügung steht, bevor es erlischt, und wer weiß schon, wie es dann weitergeht. Und selbst, wenn es weitergeht oder ginge, so ist doch erst einmal das gerade durchquerte Drama abgerundet, wenn der letzte Atem den Körper verlasst. Es wird ja behauptet, dass der Körper dann leichter wird, und niemand weiß, was mit dem fehlenden Gewicht geschieht. Da, wo Reinkarnation unangefochtenes Gesetz ist, kommt kein Zweifel auf, darf auch nicht aufkommen, sonst stünde vieles, wenn nicht alles, in Frage, eine Frage eben, die keine/r beantworten kann. Auch der Dalai Lama soll als kleines Kind zum richtigen religiösen Objekt gegriffen haben, um dann der Auserwählte zu werden. In Welten, die zu lange das Heilige oder das Geheiligte verkündet haben, taucht irgendwann der ausgleichende Abgrund auf, als Schrecken, als Tod, als das gänzlich Unerwartete, das als normal Deklarierte, das dann, wenn seine Zeit vorbei ist, entweder erlischt, oder zwanghaft aufrecht erhalten werden muss. Der Form oder der Followers oder der Familie wegen. Weswegen der Zeitraum vom lebendigen Jetzt bis an das immerhin denkbare Ende immer anspruchsvoller wird, wenn man denn Anspruch an und Zumutung für sich selbst liebt. Denn wie wäre die Zeit, die sich ergebende, besser zu erleben, als zu sein, wer man ist. Wer man ist.

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